Rockstar Jedermann in Gottes elektrischer Hand

„Klassik am Dom“: Philipp Hochmairs „Jedermann reloaded“ mit großem Orchester in Linz

Ein Bad im Mammon, der große Gleichmacher Tod wartet auch auf ihn: Philipp Hochmair ist ein fantastischer Jedermann.
Ein Bad im Mammon, der große Gleichmacher Tod wartet auch auf ihn: Philipp Hochmair ist ein fantastischer Jedermann. © Erika Mayer

Kollektive Be- und Verwunderung, als Philipp Hochmair 2018 über Nacht als Jedermann (für den erkrankten Tobis Moretti) bei den Salzburger Festspiele einsprang und aus dem Stand eine begeisternde Performance hinlegte.

Am Samstag gastierte Hochmair mit „Jedermann reloaded“ (UA 2013) erstmals „Symphonic“ mit großem Orchester am Linzer Domplatz. Dabei klärt sich, wie das in Salzburg einst funktionieren konnte.

Hochmair kennt den Menschen Jedermann in seiner Sprache in- und auswendig. Er durchschaut beide Seiten all seiner Beziehungen bis ins Detail. Sein Ich ist Jedermann, für alle anderen Figuren wechselt er nur das Mikro, verändert gar nicht groß Stimme und Gestus, lebt trotzdem ganz und gar die berühmten Figuren.

Als wären es aktuelle Nachrichten von der Börse: „… Einen schönen Schatz von gutem Geld, und vor den Toren manch Stück Feld, auch Landsitz, Meierhöf voll Vieh, von denen ich Zins und Renten zieh…“. Ein Bühnenstar in Military-Klamotten schildert in Hoffmannsthals Diktion Gott und die Welt.

Schwülstig? Lyrisch!

Gegenwärtiger könnte der Jedermann nicht sein. Gewichtige Sätze haut er eindringlich, rockig, als eine Art Rap dem Auditorium mehrfach um die Ohren. An der Rampe lenkt musikalisch die Elektrohand Gottes mit E-Gitarre, Elektronikklang (Ohren- und Augenweide Jörg Schnittkowsky) und Schlagwerk, dahinter tönen göttlichen Klänge des großen Salzburger Symphonieorchesters.

Über allen Musikern steht Dirigentin Lisa Fuchs, die mit sparsam sanfter Gestik das himmlische wie irdische Geschehen in der Hand hat. Übergangslos verbindet sie klassisch Symphonisches mit den Elektrobeats. Unterstreicht, übernimmt Worte und Taten, steht für die höheren Mächte und irdische Grausamkeiten.

Von wegen schwülstige Sprache! Hochmair belässt sie in ihrer lyrischen Wucht. Frei von Belehrung, kommt Erkenntnis von selbst, Jedermann akzeptiert. Leise treten die sanften Alter Egos an ihn heran, laut tobt der Kampf mit dem Mammon in einem riesigen Haufen Goldlametta, kleinlaut fleht Jedermann um ein Stündlein Aufschub. „Fährst in die Grube nackt und bloß, so wie du kamst aus Mutters Schoß“.

Leise nähert sich die Querflöte. Als Glaube intoniert Christa Ratzenböck aus Mahlers „Auferstehung“. Die Tränen könnten einem kommen, ehe der Teufel dreinkracht und das schon hoch erhobene Kreuz zur E-Gitarre verkommt. Todgeweiht in Siegerpose: „So wahre jetzt der Seele mein, daß sie nit mög verloren sein.“ Die Engel singen. Standing Ovations.

Von Eva Hammer