Nach ihrer Kritik an Russlands Militäreinsatz in der Ukraine ist die russische Sopranistin Anna Netrebko von einem Opernhaus in ihrem Heimatland ausgeladen worden.
Das für den 2. Juni geplante Konzert der 50-Jährigen könne nicht stattfinden, erklärte die Oper im sibirischen Nowosibirsk am Donnerstag. Das Opernhaus warf der in Österreich lebenden Sängerin indirekt vor, ihr Heimatland verraten zu haben.
„In Europa zu leben und die Gelegenheit zu haben, in europäischen Konzertsälen aufzutreten, hat sich als wichtiger erwiesen als das Schicksal des Vaterlandes“, hieß es in der Mitteilung der Oper mit Blick auf Netrebko. „Wir dürfen keine Angst vor Kulturschaffenden haben, die ihrem Land den Rücken zukehren. Unser Land ist reich an Talenten und die Idole von gestern werden durch andere ersetzt, die eine klare staatsbürgerliche Haltung haben.“
Netrebko stand seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Westen unter Kritik, weil sie als Unterstützerin von Kreml-Chef Wladimir Putin galt. Am Mittwoch distanzierte sie sich schließlich ausdrücklich von Putin und seinem Militäreinsatz in der Ukraine. „Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten“, erklärte sie dazu.
Anfang März hatte Netrebko eine Auftrittspause angekündigt. Unter anderem die Bayerische Staatsoper hatte davor die Zusammenarbeit mit ihr beendet und dies auch mit einer fehlenden ausreichenden Distanzierung von Russlands Vorgehen gegen die Ukraine begründet. In der vergangenen Woche trennte sich dann Netrebkos Agentur in Deutschland von ihr.
Die Berliner Staatsoper Unter den Linden wollte nach dem jüngsten Statement zunächst direkte Gespräche mit der Sängerin abwarten. „Im Moment ist es so, dass sie von sich aus darauf verzichtet hat, die ‚Turandot‘ in dieser Phase bei uns zu machen, darüber haben wir uns gemeinsam mit ihr geeinigt“, sagte Intendant Matthias Schulz am Donnerstag nach Angaben der Staatsoper. Die 50-Jährige sollte im Juni in der Oper von Giacomo Puccini singen. „Über zukünftige Projekte kann ich mich noch nicht äußern, grundsätzlich haben wir gesagt, dass russische Künstler natürlich weiter bei uns auftreten“, sagte Schulz. „Mir wäre es wichtig, mit Anna Netrebko erst einmal direkt zu sprechen, das möchte ich gern abwarten.“
Derzeit sehen sich viele Künstler, Sportler und andere Prominente aus Russland in dem Dilemma, dass der Westen eine Distanzierung von Putin und die Führung in Moskau eine Unterstützung ihres Vorgehens verlangen. Anfang März hatte die Stadt München den Chefdirigenten der Philharmoniker, Waleri Gergijew, wegen fehlender Distanzierung vom Kreml-Chef und dessen Militäreinsatz in der Ukraine entlassen.