Unter Lebensgefahr trug Emanuel Ringelblum während des Zweiten Weltkrieges im Warschauer Ghetto vieles zusammen, um das, was die Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung verbrachen, für die Nachwelt zu dokumentieren.
In Milchkannen wurden die Bestände seines Geheimarchivs herausgeschmuggelt, als das Ghetto 1944 zerstört wurde. Ringelblum selbst wurde im selben Jahr von den Nazis erschossen, sein Archiv ist bis heute eine wichtige Quelle. Die Ausstellung „Verfolgen und Aufklären“in der Aula der Linzer Kunstuni präsentiert bis 21. Oktober insgesamt 20 jüdische Pioniere der Holocaustforschung.
Dank ihrer mutigen Arbeit bereits während des Krieges, oder gleich danach, konnten viele Verbrechen der Nationalsozialisten ans Licht gebracht und die Opfer nicht nur vor dem Vergessen bewahrt, sondern auch Täter überführt und verurteilt werden.
Auseinandersetzung mit der NS-Zeit
Die Ausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, die von Studenten des Touro College Berlin in Zusammenarbeit mit der Wiener Library London gestaltet worden ist, ist international unterwegs und wird ab 5. November auch im Haus der Geschichte in Wien zu sehen sein. „Die Kunstuniversität trägt eine besondere Verantwortung angesichts der Geschichte der Brückenkopfgebäude am Hauptplatz“, so Rektorin Brigitte Hütter bei der Präsentation. In den nächsten Jahren sollen sich Forschungsschwerpunkte an der Kunstuni mit dem Nationalsozialismus und der Monumentalarchitektur aus dieser Zeit beschäftigen.
Forderung nach Linzer Simon-Wiesenthal-Straße
Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte und gebürtige Linzerin, nahm die Ausstellung zum Anlass, von der Stadt Linz die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Simon Wiesenthal, dem wohl bekanntesten Holocaustforscher der 1. Generation und Nazi-Jäger, zu fordern.
Wiesenthal, dem sich die Ausstellung freilich auch widmet, hatte gleich nach seiner Befreiung aus dem KZ Mauthausen eine erste Liste mit den Namen von NS-Tätern zusammengestellt und bald darauf sein erstes Büro zur „Jüdischen Historischen Dokumentation“ in Linz gegründet. Wegen mangelnder behördlicher Unterstützung schloss er es 1954 wieder, 1961 eröffnete er das Dokumentationszentrum in Wien.
So wie Wiesenthal ging es auch anderen Pionieren der Holocaustforschung nicht nur darum, zu dokumentieren, für die Nachwelt zu erhalten und so einen erneuten Genozid unmöglich zu machen, sondern auch darum, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Tuviah Friedman etwa, der aus dem Arbeitslager bei Radom in Polen entkommen war und dessen Familie von den Nazis ermordet wurde, trat 1945 unter falscher Identität der polnischen Polizei bei und begann, Beteiligte an den deutschen Verbrechen zu verfolgen.
Rachel Auerbach, die in einem Versteck überlebt hatte, veröffentlichte bereits 1947 ein Buch über das berüchtigte Vernichtungslager Treblinka nahe Warschau. Auerbach, die später die Abteilung Zeitzeugenberichte für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem leitete, war wie Wiesenthal maßgeblich an der Verurteilung von Adolf Eichmann beteiligt.
Die ersten Holocaustforscher trugen Berge von Materialien zusammen, die es zu sortieren galt, sicherten Spuren, gründeten Archive und Forschungsgruppen, veröffentlichten erste Publikationen zum Thema. In Nachkriegsgesellschaften, die sich (Ver)Schweigen auferlegt hatten, machte man es ihnen nicht leicht. Sie kämpften mit mangelnder Unterstützung und gegen antisemitische Tendenzen.
Weil viele von ihnen selbst Opfer des Holocaust waren, wurde ihnen angesichts persönlicher Betroffenheit mangelnde Objektivität unterstellt, ihrer Arbeit die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Dem will die lohnende Ausstellung, die auch die Geschichte der Verfolgung und Aufklärung erzählt, entgegentreten.