Schon in seiner ersten Spielzeit hat Bogdan Roscic versucht (damals allerdings mit großteils eingekauften Produktionen), dem Wiener Publikum Nachhilfeunterricht in zeitgenössischer Musiktheater-Ästhetik zu geben. An diesem Konzept arbeitet er nun, in seiner zweiten Saison, weiter, bringt großteils Regienamen, die in Wien kaum oder nie gearbeitet haben. Wie Herbert Fritsch, den man nur aus dem Burgtheater kannte. Allerdings ist er in seiner Optik so dezidiert, dass für seine Inszenierungen gilt: Kennst Du eine, kennst Du alle.
Er hat auch Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ in eine undefinierte „Theater“- Welt gestellt, die sich (sein eigenes Bühnenbild) durch extreme Buntheit auszeichnet. Halb digital, halb real schweben grellfarbige Wände herum, die nichts bedeuten. In diesem Niemandsland der Farben und Barock/Rokoko- Kostümen wird Theater im Stil der Commedia dell´arte gemacht — pure Körperlichkeit in allen Stadien der Überdrehung, beim Trippeln und Tänzeln und Hüpfen, beim Schlenkern der Gliedmaßen, beim Grimassieren auf Teufel-komm-raus. Immerhin muss man zugestehen, dass der „tänzerische“ Charakter der Inszenierung mit der Musik konform geht.
Flórez, Star des Abends
Dass solcherart die Geschichte der Oper nicht erzählt wird und nur derjenige versteht, was vorgeht, der den „Barbier“ gut kennt, versteht sich, aber Form geht ja heutzutage vor Inhalt. Was man übrigens auch von Dirigent Michele Mariotti sagen kann, der mit der Partitur höchst eigenwillig umging und vor allem in den Arien oft seltsame Akzente setzte.
Star des Abends war Juan Diego Flórez, zu Rossini zurückgekehrt, den er bekanntlich perfekt beherrscht, und ein unglaublich vergnügter Darsteller aller Albernheiten, die man ihm abverlangte. Mit Donnerstimme ließ Ildar Abdrazakov hören, dass er eine Luxusbesetzung für den Don Basilio ist. Weniger glücklich machten eine schmalstimmige Rosina (Vasilisa Berzhanskaya), ein blasser Don Bartolo (Paolo Bordogna) und ein mit der Prestissimo-Brillanz der Rolle überforderter Figaro (Étienne Dupuis).
Das Publikum jubelte, als hätte es auf eine Inszenierung wie diese gewartet. Da hatten ein paar Buh-Rufer beim Erscheinen von Herbert Fritsch (die möglicherweise der klassisch-schönen Günther-Rennert-Inszenierung nachtrauerten) kaum Chancen. Der Beifall überstrahlte alles.
Der ORF überträgt die Oper am 9. Oktober in ORF 2