Erst Pechvogel, dann Held: Gregoritsch schoss Österreich zu spätem Sieg

Das war nichts für schwache Nerven! 88 Minuten lang wurde die Geduld der österreichischen Fußballfans im zweiten Spiel der EM-Qualifikation gegen Estland auf eine harte Probe gestellt. Doch der späte Siegtreffer von Michael Gregoritsch bescherte der ÖFB-Auswahl vor 16.500 Zuschauern in der Linzer Raiffeisen Arena am Ende doch noch den so wichtigen 2:1-Erfolg.

Österreich startete mit dem Schwung des 4:1-Erfolgs zum Auftakt gegen Aserbaidschan ins Spiel und versuchte, von Beginn an, den Gegner früh unter Druck zu setzen. Das hätte auch beinahe gleich zum Erfolg geführt, als Patrick Wimmer Goalie Hein den Ball abluchste, aber aus gut 35 Metern das Gehäuse deutlich verfehlte (3.). Nur Sekunden später verpasste Christoph Baumgartner aus schwierigem Winkel die mögliche Führung.

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Elfmeter an die Latte

Noch näher dran war Michael Gregoritsch nach etwas mehr als einer Viertelstunde: Herrliche Kombination über Baumgartner, Laimer und Wimmer, im Strafraum wurde der Freiburg-Angreifer zu Fall gebracht – Elfmeter für Österreich! Doch statt des ersten rot-weiß-roten Jubels ging nur ein entsetzter Aufschrei durch die Raiffeisen Arena, als Gregoritsch den Strafstoß mit voller Wucht an die Latte knallte.

Acht Minuten später kam es noch dicker für die ÖFB-Auswahl: Weiter Freistoß der Esten, die sich im Kopfballduell zweimal durchsetzten. Weil Seiwald und Baumgartner gemeinsam ins Duell gingen, war Sappinen an der zweiten Stange völlig frei und brauchte nur zum 0:1 einzuschießen (25.). Das Worst-Case-Szenario gegen einen wie erwartet äußerst defensiven, physisch starken und destruktiv eingestellten Gegner, der im 5-3-2 meist tief verteidigte und die Räume sehr eng machte.

Keine Lösungen

Österreich gelang es nach dem Rückstand kaum noch, in die Nähe des gegnerischen Tores zu kommen. Die im 4-3-3 aufs Feld geschickte ÖFB-Elf fand kaum Lösungen im Ballbesitz, es fehlte an Präzision und Dynamik und zum Teil auch an Breite, um den Gegner auseinanderzuziehen. Teamchef Ralf Rangnick reagierte in der Pause mit einem Doppeltausch, ließ Flavius Daniliuc und Dejan Ljubicic in der Kabine und brachte stattdessen Kapitän David Alaba sowie Junior Adamu, die beide dem Spiel äußerst guttaten. Zudem stellte der Deutsche auf eine 4-4-2-Formation um.

Die Hausherren versuchten, mit dem Wiederanpfiff wieder mehr Druck auf die gegnerische Defensive auszuüben. Die ersten beiden Gelegenheiten gingen erneut auf das Konto von Gregoritsch, der aber beide Male das Tor nicht traf. Die Österreicher taten sich nach wie schwer, den estnischen Abwehrriegel knacken, legten aber, angetrieben von der vollen Gugl, alles in die Wagschale, um die Wende herbeizuführen. Dann, nach 68 Minuten, endlich die erste Erlösung: Der aufgerückte Stefan Posch prüfte Goalie Hein mit links, dieser konnte den Ball nur abklatschen lassen, was der kurz zuvor eingewechselte Florian Kainz mit einem wuchtigen Nachschuss in die Maschen bestrafte – 1:1!

Die Erlösung

Doch der Rangnick-Truppe war das freilich zu wenig, schließlich sollten es unbedingt sechs Punkte aus den ersten beiden Spielen werden, um dem großen Ziel, der EM-Endrunde in Deutschland 2024, näherzukommen. Rangnick ließ nichts unversucht, brachte Karim Onisiwo als zusätzliche Offensivkraft und zog Konrad Laimer als Rechtsverteidiger zurück.

Zwei Minuten vor dem Ende sollte sich der unumstößliche Siegeswillen der Österreicher tatsächlich bezahlt machen. Und zwar ausgerechnet dank jenes Akteurs, der in Hälfte eins noch zum großen Pechvogel avanciert war. Flanke Baumgartner, der Ball landete vor den Füßen von Gregoritsch, dessen abgefälschter Schuss im Netz einschlug! Auf der Gugl brachen alle Dämme, die gesamte Ersatzbank stürmte in Richtung des nun gefeierten Helden. Was für ein wichtiger Sieg auf dem Weg nach Deutschland 2024!

Von Christoph Gaigg