Andreas Schicker macht den nächsten Schritt auf der Karriereleiter. Der 38-jährige Steirer ist nach seiner Vertragsauflösung bei Sturm Graz zum Geschäftsführer Sport beim deutschen Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim ernannt worden. Schicker war seit 2018 in Graz tätig, seit 2020 erfolgreich als Sportchef. Er gilt als Erfolgsarchitekt des amtierenden Doublesiegers, drei Titel und Millionen-Transfers zieren seine Ära.
„Ich habe hier die Chance bekommen, mich zu beweisen – dafür bin ich extrem dankbar. Die Erfolge der letzten Jahre – die Titel, die Spieler, die aus Graz den Schritt in den europäischen Topfußball geschafft haben, sowie die Gesamtentwicklung des Vereines und der Mannschaft – machen mich extrem stolz“, sagte Schicker in einer Club-Mitteilung und bedankte sich bei allen Mitstreitern. „Ich freue mich auf die Aufgaben, die auf mich warten – kann aber versprechen, dass die Steiermark immer meine Heimat bleiben wird, ich den SK Sturm weiter genau verfolgen werde und diesem Verein für immer verbunden bleibe.“
Die Beförderung des Chefscouts 2020 wurde zu einer ganz speziellen Liaison. Mit der Verpflichtung von Trainer Christian Ilzer und Führungsspielern wie Jon Gorenc Stankovic und Gregory Wüthrich goss Schicker das Fundament für einen zuvor noch undenkbaren Erfolgslauf. Seine Trefferquote am Transfermarkt war vor allem in den ersten Jahren außergewöhnlich. Die Stürmer Kelvin Yeboah (6,5 Mio. Euro), Rasmus Højlund (20,0) und Emanuel Emegha (13,0) brachten dem Verein finanzielle Potenz und internationales Renommee ein. In diesem EM-Sommer folgte Alexander Prass (bis zu 12,0) nach Hoffenheim. Der aktuell beim ÖFB-Team weilende Prass freut sich auf die Reunion mit einem „Topmensch und Topmann“.
Schicker hat Sturm in neue Sphären gehoben und strukturell professionalisiert, er wird in Graz für Millionen-Einnahmen und sein bodenständiges Auftreten in Erinnerung bleiben. Sturm-Boss Christian Jauk zeichnete zuletzt das Bild „vom Lehrling zum in Deutschland begehrten Superstar“. Parallelen zum einstigen Salzburger Erfolgsmanager Christoph Freund sind da. In Deutschland treffen die beiden nun wieder aufeinander. Freund im Dienste des FC Bayern, Schicker von Hoffenheim.
Gerüchte über einen Deutschland-Wechsel hatte es schon monatelang gegeben. Ein Engagement bei Werder Bremen kam nicht zustande, kurz darauf sagte Schicker Hoffenheim noch ab. Er sei es Sturm quasi schuldig gewesen, die Kaderplanung für die CL-Saison zu finalisieren, sagte Schicker nach dem fulminanten 5:0 am Sonntag gegen Salzburg. Einzig seine erfolgreiche Arbeit in Graz erlaubte es dem Steirer, mit Akzeptanz des Vereins, der Fans und Medien weiter offen mit der größeren Fußballwelt zu kokettieren.
Für den milliardenschweren Geldgeber Dietmar Hopp blieb er Wunschkandidat – obwohl die Hoffenheim-Fans seine Verpflichtung offen ablehnen. „Schicker: Böllerwerfer haben in Hoffenheim nichts verloren“, wurde ihm auf einem Transparent im Stadion ausgerichtet. Schicker musste 2014 durch eine Böllerexplosion die linke Hand amputiert werden. „Ich will die TSG-Fans mit guter Arbeit von mir überzeugen“, sagte Schicker zur APA. Es warten aber nicht nur eine durch Rang 16 unzufriedene Fanszene, sondern kolportierte Machtspielchen im Verein und Einflussnahmen von außen.
Von Hopp wurde er mit warmen Worten begrüßt: „Andreas Schicker steht für eine klare Spielphilosophie und erarbeitete sich in den vergangenen Jahren aufgrund seiner geschickten Transfers von jungen Talenten einen exzellenten Ruf in der Branche.“ Die TSG hat nun große Teile der Führungsebene, darunter den Geschäftsführer Finanzen sowie die Direktion Sport (Frank Kramer), neu strukturiert.
Als Spieler blieb Schicker stets in Österreich. Wenige Partien absolvierte der Ex-U21-Teamverteidiger für Austria Wien, einige mehr für Ried und Wiener Neustadt. Als Manager ist sein Handlungsspielraum in Graz nahezu ausgereizt, die aktuelle Saison zeigt durchaus die Tücken in der Kaderplanung ab einem gewissen Niveau auf. Der Moment für einen Wechsel scheint für alle Beteiligten stimmig. Österreichs Doublesieger aber steht nun vor der wichtigsten Personalentscheidung seit viereinhalb Jahren. Wer Schicker nachfolgen wird, ist offen.