Teamchef Ralf Rangnick weiß, was er an ihm hat. Marko Arnautovic könnte trotz Gelb-Vorbelastung am Dienstag (18.00 Uhr/live ServusTV und RTL) im abschließenden EM-Gruppenspiel Österreichs gegen die Niederlande in der Startelf stehen.
„Er ist weiterhin ein sehr wichtiger Spieler für uns, auch mit seiner Erfahrung“, betonte Rangnick am Montag. Für Arnautovic wird es laut eigenen Angaben „ein spezielles Spiel“, hat er seine Profikarriere doch einst bei Twente Enschede begonnen.
„Das war irgendwie meine zweite Heimat“, sagte Arnautovic, der fließend Niederländisch spricht. Mit 17 Jahren war er vom FAC zu Twente gewechselt, dort kickte er von 2006 bis 2009. Anfangs wohnte er bei einer Gastfamilie. „Holland hat in meinem fußballerischen Leben sehr viel Einfluss. Alles, was ich in den drei Jahren erlebt habe, war wunderschön“, erklärte Österreichs Rekordnationalspieler. „Auch in den Stadien, die Fans, wie sie den Fußball leben, das war einzigartig.“
Er habe sehr viel von Land und Leuten gelernt. Fußballerisch hätte er sich vor allem im technischen Bereich weiterentwickelt, auch die Eins-gegen-Eins-Fähigkeiten habe er sich in den Niederlanden angeeignet. „Ich war damals noch kein Stürmer, sondern Flügelspieler“, erinnerte Arnautovic.
Lächelnder Nachsatz: „Damals war ich sehr schnell, jetzt nicht mehr so.“ Rangnick hat an der Geschwindigkeit des 35-Jährigen nichts auszusetzen: „Er ist immer noch schnell genug – vielleicht nicht mehr für den Flügel, aber für das Zentrum allemal.“
Arnautovic genießt seine dritte EM. Das Turnier 2016 verlief sportlich enttäuschend, jenes 2021 war von der Corona-Pandemie geprägt. „Jetzt diese EURO macht mega Spaß“, sagte der Inter-Mailand-Stürmer. Es könnte allerdings sein letztes großes Turnier sein. Bei der WM 2026 in Nordamerika wäre Arnautovic 37 Jahre alt.
Ausschließen wollte es der 114-fache Internationale (37 Tore) nicht, seine ÖFB-Karriere bis dahin zu verlängern. „Das muss der Trainer entscheiden. Das kann ich nicht entscheiden, ob ich noch dabei bin.“
Rangnick gab sich nicht abgeneigt. „Was in zwei Jahren ist, können wir beide nicht so richtig einschätzen“, meinte der Deutsche in einer gemeinsamen Pressekonferenz, verwies aber auf Cristiano Ronaldo und Pepe, die mit 39 bzw. 41 Jahren bei Portugal immer noch erste Wahl seien.
Rangnick mit einem Augenzwinkern: „Wenn er weiterhin so fit ist und auf sich achtet, warum soll Marko dann in zwei Jahren mit 32 (sic!) nicht spielen können?“ Arnautovic würde alles mitbringen, was ein Mittelstürmer brauche. „Ich als Teamchef bin sehr froh, dass wir ihn haben.“
Dabei hatte sich Arnautovic bei Rangnicks Amtsübernahme 2022 laut eigenen Angaben Sorgen gemacht. „Der Trainer hat es zwar nicht verstanden, aber ich hab‘ mir gedacht, jetzt kommt die Red-Bull-Schule zu uns und es wird ein bisschen schwierig für mich.“
Er habe in seiner Karriere davor nie Pressing gespielt. „Beim ersten Gespräch hat er mir aber gesagt, dass ich wichtig für die Mannschaft bin. Seitdem haben wir eine überragende Beziehung.“
Rangnick lobte die Mehrsprachigkeit, Eloquenz und Intelligenz seines Ersatzkapitäns. „Er ist auch nochmal gereift als Mensch, als Person, als Familienvater.“ Es hätte auch das eine oder andere Gespräch über die beiden jeweiligen Väter stattgefunden. Jenem von Arnautovic sei es laut dessen Angaben zuletzt „nicht gut“ gegangen.
“Er konnte einige Spiele nicht dabei sein, das war eine harte Zeit für meine Familie und für mich“, schilderte der Wiener. Seinen Vater beim 3:1-Sieg am Freitag gegen Polen mit einem Lächeln wieder im Stadion gesehen zu haben, hätte ihm sehr viel gegeben. „Deswegen ist es für mich auch emotional geworden.“
Arnautovic traf per Elfmeter zum Endstand, hält nun als einziger Österreicher neben Christoph Baumgartner bei zwei Toren bei EM-Endrunden. Der 81-minütige Einsatz gegen Polen war sein bisher längster in Rangnicks Teamchef-Ära. Kurz vor seinem Treffer sah er für einen Schubser aber eine Gelbe Karte.
Bei einer weiteren wäre Arnautovic im folgenden Spiel gesperrt. Rangnick deutete dennoch an, den Routinier von Beginn an aufzubieten, nachdem im Auftaktspiel gegen Frankreich (0:1) noch Michael Gregoritsch den Vorzug erhalten hatte. „Gut möglich“, sagte der Teamchef.
Das erste EM-Duell mit den Niederlanden (0:2) hatte Arnautovic 2021 verpasst, weil er davor nach seinem Tor gegen Nordmazedonien (3:1) Gegenspieler Ezgjan Alioski beleidigt hatte. Die UEFA-Disziplinarkommission sperrte den ÖFB-Angreifer daraufhin nachträglich für eine Partie. Versäumtes soll in Berlin nachgeholt werden.
Mit Denzel Dumfries, vor drei Jahren in Amsterdam Torschütze für „Oranje“, ist Arnautovic mittlerweile gut befreundet. „Wir telefonieren und schreiben oft“, sagte der Inter-Legionär über seinen Clubkollegen. „Er sagt, er gewinnt jedes Spiel und ist der Beste – aber das mag ich an ihm.“ Arnautovic hat andere Ideen, will im Turnier aber noch nicht zu weit vorausdenken: „Das optimale Szenario wäre, dass wir das Spiel gewinnen. Der Rest folgt dann.“