Die Europäische Kommission verdächtigt den chinesischen Online-Marktplatz Temu gegen EU-Recht zu verstoßen. Die Brüsseler Behörde leitete ein formales Verfahren ein, um zu prüfen, ob die Plattform etwa genug gegen den Verkauf illegaler Produkte vorgehe, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung. Außerdem solle die potenziell süchtig machende Gestaltung des Dienstes untersucht werden.
Dem Online-Marktplatz wird unter anderem vorgeworfen, nicht genug gegen illegale Produkte zu tun. Bestimmte unseriöse Händler würden wieder auf der Plattform auftauchen, nachdem sie gesperrt worden seien, hieß es von der Kommission. Außerdem bestehe das Risiko, dass die Plattform durch Belohnungsprogramme süchtig mache. Das könne negative Folgen für das körperliche und geistige Wohlbefinden einer Person haben. Die Kommission will nun weiter Beweise sammeln, etwa durch Befragungen.
In einer Voruntersuchung hatte die Brüsseler Behörde bereits detaillierte Informationen von Temu über die Maßnahmen verlangt, mit denen ein Wiederauftauchen von Händlern verhindert werden soll, die illegale Produkte auf ihrem Online-Marktplatz verkaufen. Die Kommission wollte auch Auskunft, wie die Risiken für Verbraucher eingedämmt werden.
Temu teilte in Reaktion auf das EU-Verfahren mit, dass es seine Verpflichtungen ernst nehme und kontinuierlich investiere, um sein Regelungssystem zu stärken und die Verbraucherinteressen auf seiner Plattform zu schützen. „Wir werden vollumfänglich mit den Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, um unser gemeinsames Ziel eines sicheren und vertrauenswürdigen Marktplatzes für Verbraucher zu unterstützen“, so das Unternehmen weiter.
Die Brüsseler Behörde hatte bereits ähnliche Verfahren gegen X (früher Twitter), Tiktok und AliExpress eröffnet. Große Online-Plattformen werden von einem neuen EU-Gesetz über digitale Dienste (DSA) verpflichtet, strikt gegen illegale Inhalte im Netz vorzugehen.
Laut Handelsverband haben bereits 42 Prozent der österreichischen Bevölkerung bei Temu gekauft. Diese „QuickCommerce-Plattform“ überziehe den Planeten „mit einer Müllstraße aus Fakeprodukten, die vielfach mit giftigen Chemikalien belastet sind“, kritisierte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung. „Daher begrüßen wir das förmliche Verfahren der EU-Kommission gegen Temu ausdrücklich.“ Es brauche „endlich ein Level Playing Field statt dem Digitalen Wilden Westen“.
In Deutschland zählt Temu beispielsweise nach eineinhalb Jahren am Markt bereits zu den größten Onlinehändlern des Landes. Laut einer Untersuchung der zum Meinungsforschungsinstitut YouGov gehörenden Consumer Panel Services GfK, landete das Shoppingportal gemessen an der Anzahl der Bestellungen im ersten Halbjahr 2024 auf dem sechsten Platz der Top-Onlinehändler.
Handelsvertreter, Politiker und Verbraucherschützer kritisieren jedoch unter anderem Produktqualität, unfaire Wettbewerbsbedingungen und mangelnde Kontrollen. Die Plattform weist solche Vorwürfe zurück.
Das Brüsseler Verfahren gegen Temu findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die wirtschaftlichen Spannungen mit China zunehmen. Seit Mittwoch gelten EU-Zusatzzölle auf aus China importierte Elektroautos. Vor dem Beschluss der EU-Kommission hatte Anfang des Monats eine ausreichend große Mehrheit der EU-Staaten für die Strafzölle gestimmt. Deutschland votierte gegen die Maßnahme, aus Sorge vor einem neuen großen Handelskonflikt und möglichen Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Hersteller.