Die Europäische Zentralbank (EZB) lockert angesichts trüber Konjunkturaussichten und abnehmender Inflationssorgen heuer zum vierten Mal ihre Zinsschrauben. Die Währungshüter beschlossen am Donnerstag auf ihrer Sitzung in Frankfurt, den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagensatz, zu dem Geldhäuser bei der Notenbank überschüssiges Geld parken können, um einen Viertelpunkt auf 3,00 von 3,25 Prozent zu senken. Dieser Zins gilt mittlerweile als Leitzins für die Eurozone.
Der Hauptrefinanzierungssatz, das ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, sinkt von 3,40 auf 3,15 Prozent. Mit ihrem Beschluss hält die Zentralbank an ihrem Ansatz der vorsichtigen kleinen Zinsschritte nach unten fest.
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Der EZB-Rat habe zum Glück der Versuchung widerstanden, die Leitzinsen in einem Schritt um einen halben Prozentpunkt zu senken, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Eine Rücknahme um nur einen viertel Prozentpunkt ist angemessener, weil die Löhne nach wie vor viel zu schnell steigen.“ Mit dem kleinen Zinsschritt bleibe die EZB ihrer bisherigen Linie treu, erklärte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Auch wegen des zurückliegenden Inflationsschocks erscheint es angemessen, dass sich die EZB besonnen zeigt“, merkte er an.
Die Euro-Wächter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde hatten im Juni die Zinswende eingeleitet und dann im September und im Oktober weitere Lockerungsschritte folgen lassen. Zum weiteren Vorgehen im nächsten Jahr erklärte die Zentralbank, der EZB-Rat sei entschlossen, für eine nachhaltige Stabilisierung der Inflation beim mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent zu sorgen. Die Festlegung des angemessenen geldpolitischen Kurses werde von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung entschieden. Die EZB lege sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest. Die nächste Zinssitzung der Währungshüter ist für den 30. Jänner geplant.
Inflation sinkt, aber Konjunktursorgen bleiben
Die EZB bewegt sich derzeit in einer zunehmend unsicheren Gemengelage. Zwar könnte die Inflation nach Einschätzung der Währungshüter nächstes Jahr die Notenbank-Zielmarke von 2,00 Prozent erreichen. Im November lag die Teuerung in der 20-Ländergemeinschaft bei 2,3 Prozent, weit entfernt von Raten über zehn Prozent wie noch im Herbst 2022. Aber die zuletzt eher schwachen Konjunkturdaten aus der Eurozone sorgen im EZB-Rat zunehmend für Sorgenfalten.
Die Volkswirte der Notenbank erwarten nun eine langsamere konjunkturelle Erholung als noch in ihren September-Projektionen. Das Wachstum habe im dritten Quartal angezogen, doch Umfrageindikatoren ließen auf eine Verlangsamung im laufenden Quartal schließen, hieß es. Stimmungsbarometer für die Wirtschaft im Euroraum fielen zuletzt trübe aus. So sank das monatliche Sentix-Barometer, das auf einer Umfrage unter mehr als 1.000 Investoren basiert, im Dezember auf minus 17,5 Zähler – der schlechteste Wert seit November 2023. Die aktuelle Konjunkturlage wurde sogar so negativ bewertet wie seit über zwei Jahren nicht mehr.
Dazu haben die politischen Unsicherheiten zugenommen angesichts der Regierungskrisen in Deutschland und Frankreich, den beiden größten Volkswirtschaften im Euroraum. Überdies drohen in der zweiten Amtszeit des designierten US-Präsidenten Donald Trump neue Zölle, was Handelskonflikte auslösen und die Wirtschaft in der Eurozone zusätzlich belasten würde. Deutsche-Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte davor gewarnt, sollten die Zollpläne umgesetzt werden, könnte das in Deutschland ein Prozent der Wirtschaftsleistung kosten.