Energiewende ist als Gemeinschaftsprojekt zu verstehen

Leonhard Schitter, Vorstandsvorsitzender der Energie AG, schildert die ambitionierten Ausbaupläne in puncto Ladestationen, Leitungsnetze und Glasfaser. Der Bau des Pumpspeicherkraftwerks Ebensee – der sogenannten Grünen Batterie Oberösterreichs – läuft darüber hinaus nach Plan, wie Schitter sagt.

Die Energie AG hat eine Ausbauoffensive gestartet. Zwei Milliarden Euro für Stromerzeugung, zwei Milliarden Euro für den Netzausbau bis 2030. Warum ist das notwendig?

LEONHARD SCHITTER: Die Energie AG hat ein ganz klares Ziel. Dieses heißt Klimaneutralität und Unabhängigkeit bis zum Jahr 2035. Unter anderem auch deshalb, weil es Vorgaben gibt, die etwa für Europa bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität vorsehen. Österreich geht hier übrigens einen Schritt weiter und sagt Klimaneutralität ab 2040. Und die Energie AG sieht sich hier als Impulsgeberin für den Standort Oberösterreich sowie als Impulsgeberin im Bereich Nachhaltigkeit. Daher ist es unser Ziel, 2035 klimaneutral zu sein. Dazu kommt auch: Es ist ein ganz klarer Kundenwunsch. Die Kunden wollen nachhaltig leben und da wollen wir sie begleiten.

Was tun Sie dafür?

Wir bauen massiv die Erneuerbaren aus. Wir wollen bis 2035 in Summe 1,2 Terawattstunden bei der Energieerzeugung dazu gebaut haben. Zur Einordnung: Wir haben derzeit eine Produktion von aktuell rund 2,5 Terawattstunden. Was wollen wir dafür machen? Ganz stark natürlich in den Bereich Wind, aber auch in Photovoltaik investieren. Und genauso in Wasserkraft.

Kann man das irgendwie aufdröseln?

Bei einer Terawattstunde werden etwa 60 Prozent aus Windenergie kommen und etwa 40 Prozent aus Photovoltaik. Und die restlichen 200 Gigawattstunden sollen aus Wasserkraft kommen. Darüber hinaus investieren wir auch in die entsprechenden Speichermöglichkeiten. Warum? Weil man mit Sonne und Wind nur dann Strom erzeugen kann, wenn Sonne scheint und Wind geht. Dazu kommt, dass wir im Sommer eine erhöhte Produktion haben bei geringerer Abnahme und umgekehrt gibt es im Winter einen höheren Verbrauch bei geringerer Erzeugung. Das heißt, wir müssen daher auch die Mittel und die Speichermöglichkeiten vorsehen, dass wir diesen Strom speichern.

Jetzt sprechen Sie vom Pumpspeicherkraftwerk Ebensee.

Genau, aber nicht nur. Die Energie AG setzt gerade ihr größtes Einzelinvestitionsprojekt in der Geschichte um. 451 Millionen Euro investieren wir in den Pumpspeicher, der zur grünen Batterie Oberösterreichs werden wird. Der zweite Bereich der Energiespeicherung betrifft grünen Wasserstoff. Wir wollen auch in Wasserstoff investieren, um einerseits Strom in Wasserstoff umzuwandeln und damit speicherfähig zu machen. Der dritte Bereich: Wir wollen uns auch im Bereich der Großbatteriespeicher engagieren und diese Speicherbatterien bis 2035 mit etwa 30 Megawatt Leistung einmal aufbauen.

Wie schreiten die Arbeiten in Ebensee voran?

Wir planen, das Pumpspeicherkraftwerk, das die grüne Batterie für Österreich werden soll, bis Ende 2027 ans Netz zu bringen. Damit schaffen wir die Speichermöglichkeiten für Sonnenstrom und für Windstrom, um so Oberösterreich versorgen zu können. Die Baumaßnahmen sind sehr gut im Laufen. Aktuell sind 50 Prozent des Zufahrtsstollens gebaut. Das heißt, da liegen wir ganz gut im Plan.

Wie wichtig ist dabei die Wasserstofftechnologie?

Wasserstoff ist für uns ein absolutes Zukunftsthema, dessen wir uns jetzt massiv annehmen. Wir wollen Wasserstoff in vier Bereichen anwendbar machen. Erstens in der tatsächlichen Elektrolyse, also wir wollen Wasserstoff erzeugen und dann für die Kunden zur Verfügung stellen. Zweitens: Wir wollen Wasserstoff Gasen beimischen, die zum Energieverbrauch benötigt werden. Dann wird Wasserstoff zu einem grünen Gas. Dritter Bereich: Wir wollen die Infrastruktur so ausbauen, dass die derzeit bestehenden Leitungen – Gasnetze zum Beispiel – transportfähig für Wasserstoff sind. Und der vierte Bereich: Wir wollen uns auch zusätzlich über vertragliche Absicherungen Wasserstoff von Dritten sichern.

Kommen wir noch kurz zum Leitungsnetz zurück? Da gibt es immer wieder Kritik, frei nach dem Florianiprinzip.

Die Energiewende hin zu nachhaltiger Erzeugung muss ja irgendwie auch sichtbar sein. Windkraftanlagen sind sichtbar, Wasserkraftwerke sind sichtbar, Pumpspeicher sind sichtbar, Photovoltaikanlagen sind sichtbar. Das ist auch wichtig, weil diese Kraftwerke und diese Infrastruktur immer auch Zeichen des technologischen Fortschritts und des Absicherns von Wohlstand sind. Gleichzeitig müssen die Netze weiterhin ausgebaut werden. Daher wird auch der Ausbau der Infrastruktur, also der Netze, sichtbar werden müssen. Und dazu braucht es auch das entsprechende Verständnis bezüglich der Energiewende und der Klimaneutralität.

Haben Sie dann Verständnis, wenn Menschen gegen den Leitungsnetzausbau protestieren?

Ich glaube, man muss die Energiewende als Gemeinschaftsprojekt verstehen. Dass wir alle daran mitwirken müssen. Das ist eben kein Einzelprojekt und man muss das als Klimapakt begreifen, den es dafür braucht. Und der betrifft alle: Die Wirtschaft, die Unternehmen, die Politik und vor allen Dingen die Bevölkerung. Wir müssen es gemeinsam tun. Dafür braucht es das Verständnis von jedem Einzelnen. Wir brauchen die Energiewende auch deshalb, weil wir uns mit den Erneuerbaren unabhängiger von internationalen Märkten machen.

Gas zum Beispiel.

Genau. Wir haben das ganz leidvoll gesehen, was es bedeutet, abhängig von russischem Gas zu sein und von dieser Abhängigkeit müssen wir uns befreien. Das heißt, wir müssen hier den Ausbau erneuerbarer intensivieren. Erneuerbare bedeutet Unabhängigkeit und zudem erfolgt die Produktion auch regional. Dazu kommt, dass wir, je mehr wir die Erneuerbaren ausbauen, auch langfristig die Preise reduzieren können.

Stichwort Preise: Wie werden sich diese heuer noch entwickeln?

Wir haben in den vergangenen Monaten noch eine erhebliche Reduktion der Preise gesehen. Ich glaube, dass diese in den nächsten Monaten auf dem derzeitigen Niveau bleiben werden. Die Energie AG wird in dem Moment, wo wir diese Preisvorteile auch an Kunden weitergeben können, das unverzüglich machen.

Wie läuft es mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur?

Elektromobilität nimmt einen großen Platz bei uns ein, weil es ein klarer Kundenwunsch ist. Vor allem bei Privatkunden in Kombination mit Photovoltaik und Speicherlösungen. Wir setzen uns bis 2035 zum Ziel, 50.000 Ladepunkte in Oberösterreich zu haben und damit dem Kundenwunsch zu entsprechen und gleichzeitig auch unseren Anteil zur Dekarbonisierung des Verkehrs zu leisten. Dazu gibt es ambitionierte Ziele, die wir sukzessive abarbeiten.

Wie viele Ladepunkte betreibt die Energie AG aktuell?

Etwa 1.200.

Setzen Sie beim Ausbau vor allem auf Schnelllader oder auf den Ausbau von Wallboxen, etwa in Kooperation mit Wohnungsgenossenschaften?

Wir wollen der Elektromobilität auf allen Ebenen Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Das inkludiert Ladepakete für Privatkunden, aber auch im Gewerbe und für Firmenfuhrparks. Und natürlich auch öffentliches Laden. Hier haben wir zwei Schwerpunkte. Öffentliches Laden langsam und öffentliches Laden schnell. Dabei beginnt die Schnellladeinfrastruktur bei 50 Kilowatt und geht hinauf auf 350 Kilowatt.

Stichwort Glasfaserausbau. Auf welche Regionen konzentrieren Sie sich da?

Der Ausbau ist in dem Unternehmen Breitband Oberösterreich gebündelt, das zusammen mit dem Land Oberösterreich das Ziel hat, infrastrukturschwächere Regionen mit superschnellen Glasfaser-Internet zu verbinden. Und auch da schreiten wir sukzessive voran. Dort hängen jedoch weiteren Ausbaustufen von der Förderlandschaft ab; also von der Ausnutzung der Breitbandmilliarde. Aber ich denke, da kommen wir durchaus gut voran und jetzt haben wir vor Kurzem Kunden auf sogenannte systemische symmetrische Bandbreiten von mindestens 300 Megabit pro Sekunde umgestellt.

Die Energie AG als Arbeitgeberin. Wie gestaltet sich Mitarbeiter-Suche und Mitarbeiter-Bindung und auch Mitarbeiter-Findung davor?

Wir haben einen ganz klaren Schwerpunkt auf das sogenannte Employer-Branding. Wir werden jedes Jahr zu der absoluten Top-Arbeitgeberin nicht nur in Oberösterreich, sondern auch in Österreich immer wieder ausgezeichnet. Dafür wenden wir aber auch viel auf. Von internen Ausbildungsprogrammen, Fortbildungsprogrammen bis hin zu Vielfalts- beziehungsweise Diversitätsthemen ist die Energie AG extrem engagiert. Wir befinden uns derzeit in der Planungsphase für die Erweiterung unserer Lehrwerkstätte und des Lehrlingswohnheimes in Gmunden. Ziel ist die Schaffung eines neuen Lehrlings-Campus mit einer Kapazität für in Summe 144 Auszubildende. Damit wollen wir weiterhin die attraktivsten Ausbildungsplätze bieten und die Anzahl der jährlich ausgebildeten technischen Lehrlinge von derzeit 23 auf 36 erhöhen.

Interview von Oliver Koch

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