Günstige Wasserspeicher für grüne Fernwärme mit JKU Know-how

Der halb abgedeckte Speicher während des Baus © APA/AGRU/G quadrat/Ioannis Sifnaios,Technical University of Denmark (DTU)

Fernwärme aus Sonne, Wind oder ohnehin anfallender Abwärme kann ganze Städte klimaschonend versorgen. Das Problem: Diese Quellen liefern nicht zwingend dann, wenn es gerade kalt ist, man muss die Wärme also speichern. Ein wegweisendes Projekt wurde in Dänemark unter Federführung des Linzer Uniprofessors Gernot Wallner umgesetzt. Er sieht auch hierzulande Potenzial dafür: „Linz könnte seine CO2-Emissionsbilanz stark verbessern, wenn man Abwärme aus der Industrie nehmen würde.“

Das von Wallner geleitete Christian Doppler Labor AgePol an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) erforscht den Alterungsprozess von Kunststoffen unter diversen Umwelteinflüssen. Der Fokus liegt auf Materialien, die für die Energiewende benötigt werden. In Høje-Taastrup nahe der dänischen Hauptstadt Kopenhagen hat er mit drei jungen Wissenschaftern, die bei ihm ihr Doktorat gemacht haben – Klemens Grabmayer, Michael Grabmann, Lukas Peham – und der Firma Agru Kunststofftechnik aus Bad Hall in Oberösterreich ein Projekt umgesetzt, das Fernwärme klimaneutraler macht: Energie aus Sonnen- und Windkraftwerken, aber auch Abwärme aus der Industrie wird dort in einem riesigen, weitgehend unterirdischen Wasserbecken gespeichert und die Wärme dann abgerufen, wenn sie benötigt wird.

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Der Speicher hat Ähnlichkeit mit einem riesigen abgedeckten Schwimmteich: Ein Becken wird ausgehoben und mit einer Kunststofffolie ausgekleidet. Dann wird es mit Wasser gefüllt und mit einer weiteren Folie sowie Dämmmaterial abgedeckt. Auf dieses kann dann Kies aufgebracht werden, damit ist die Fläche sogar begehbar. Die Wassertiefe beträgt bei der Anlage in Høje-Taastrup etwa 20 Meter. Häufig werden vorher rundherum Deiche aufgeschüttet. Dadurch ist der Speicher leicht erhaben und hält nach unten hin Abstand zum Grundwasserspiegel. Denn das Grundwasser würde das gelagerte heiße Wasser kühlen, was kontraproduktiv wäre. Solange man in festem Substrat bleibt, fungiert dieses hingegen als Dämmung, die Wärmeverluste sind gering, so Wallner. Aufgeheizt wird das Wasser mit Energie aus industriellen Prozessen sowie Solar- und Windkraftanlagen.

Wallner hat im Rahmen der Forschungsinitiative SolPol (Solar Energy Technologies based on Polymeric Materials) an der JKU die für den Speicher verwendete Kunststofffolie entwickelt. Diese muss besonders temperaturbeständig sein, denn die Wassertemperatur pendelt zwischen 10 und 95 Grad. Die Kunststoffe wurden mit Antioxidantien versetzt, mehr als 500 Rezepturen wurden entwickelt und im Labor untersucht. Dazu werden kleine Späne des jeweiligen Kunststoffs in heißem Wasser oder Luft exponiert und beobachtet, wie sie diesen Umwelteinflüssen standhalten. 2021 hatte man es dann geschafft und das bestgeeignete Material ermittelt. Der Speicher in Høje-Taastrup wurde realisiert und damit ausgekleidet. Produziert wird die Folie von der Firma Agru Kunststofftechnik in Bad Hall, die deutsche Firma G Quadrat schweißte die Bahnen zusammen. Erstmals setzten die Dänen auf die österreichische Technologie – „mit dieser sind wir europäischer Technologieführer“ – während der Markt ansonsten von einer US-Firma dominiert wird, so Wallner. „Das US-Material ist jedoch weniger leistungsfähig, da es die Speichertemperatur auf 80 °C limitiert“, sagt er.

Anstatt das Wasser im Becken mit grünem Strom oder Solarwärme aufzuheizen, kann man aber auch ohnehin vorhandene Abwärme nutzen. Kopenhagen etwa verfügt über einen Speicher mit einem Volumen von 70.000 Kubikmetern, der vornehmlich mit Abwärme aus der Industrie gespeist wird. Ein Ansatz, der sich auch für Linz anbieten würde. Die Stahlstadt würde laut Wallner einen zwei Millionen Kubikmeter großen Speicher brauchen, um ihren Wärmebedarf decken zu können. „Linz könnte die CO2-Emissionen signifikant reduzieren, wenn sie die Abwärme aus der Industrie nehmen und zwischenspeichern würden.“

Das wäre für beide Seiten gut, denn die Industrie müsse ohnehin ihre Abwässer kühlen bevor sie sie in die Donau leiten darf, erklärt der JKU-Forscher. Und sie hat selbst einen hohen Wärmebedarf, denn im Schnitt entfallen drei Viertel des Energieverbrauchs der Industrie auf Wärme und nur ein Viertel auf Elektrizität. Die Linz AG auf der anderen Seite setzt für die Fernwärme neben Biomasse und Reststoffen nach wie vor auch fossile Energieträger wie Gas ein, erneuerbare (inklusive der Müllverbrennung) haben derzeit nur einen Anteil von 40 Prozent. Bis 2035 will man auf 80, bis 2040 auf 100 Prozent kommen. Trotz dieser theoretischen Win-win-Situation hat man sich in Linz bisher nicht gefunden. Die Kosten für einen Speicher, wie ihn Linz benötigen würde, beziffert Wallner auf rund 60 Millionen Euro. Würde man statt der Spezialkunststoffe Edelstahl verwenden, wäre so ein Erdbeckenwärmespeicher massiv teuer und unwirtschaftlich.

Obwohl Fernwärme die am weitesten verbreitete Heizform in Österreich und jeder vierte Haushalt an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, wird die Hälfte derzeit immer noch fossil erzeugt. Mittlerweile gibt es aber auch bereits rund 40 solarunterstützte Fernwärmesysteme. 22 solare Großanlagen liefern eine Wärmeleistung von 34 MW (Megawatt). Man sei aber noch „weit weg von Dänemark“, das Pionier bei solarer Fernwärme ist. Dort gibt es bereits mehr als 120 Kommunen, die auf diese Weise ihre Fernwärmeversorgung bestreiten. Die Anlagen im Land haben eine Wärmeleistung von insgesamt rund 1 GW. Allein die mit einer Kollektorfläche von 157.000 Quadratmetern größte Solarthermieanlage der Welt in Silkeborg produziert 80.000 MWh an Wärmeenergie jährlich. Zum Vergleich: Österreichs größte Solarkapazität ist in Graz installiert, wo mehrere Anlagen mit insgesamt 18.000 Quadratmetern rund 12,6 MW thermische Leistung für das Fernwärmenetz bereitstellen.

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