Unmittelbar vor seinem Urlaub in den Lienzer Dolomiten nahm sich Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger (64) Zeit für ein ausführliches Gespräch mit dem VOLKSBLATT, um über sein Jubiläum, Hobbys, seinen Führungsstil, Ziele und Herausforderungen, aber natürlich auch Zinserhöhungen, Inflation und Rezession zu reden. Und auch darüber, was der Halbmarathon mit dem Ruhestand zu tun hat.
VOLKSBLATT: Sie haben vor kurzem ein Jubiläum, nämlich 40 Jahre in der Oberbank gefeiert. Welche Erinnerungen ruft das hervor?
FRANZ GASSELSBERGER: Man merkt sich gewisse Daten – ich bin am 20. Juni 1983 in die Oberbank eingetreten. Mir wurde damals gesagt: ‚Wenn sie bereit sind, nach Braunau zu gehen, dann können sie bei der Oberbank beginnen.‘ Da habe ich keine Sekunde gezögert, das zu tun. Und der damalige Personalchef hat mir mitgegeben: ‚Sie können in dieser Bank jede Position erreichen, sie können auch Vorstand werden.‘ Das galt vor 40 Jahren und das ist auch heute noch so.
„Bin auch ein bisschen stolz“
Was bedeutet das konkret?
Leistung wird in der Oberbank gesehen und honoriert. Das zeigt ein Blick auf die Führungskräfte, von denen 80 Prozent aus den eigenen Reihen kommen und auch die Vorstandsbesetzungen orientieren sich an diesem Wert.
Ebenfalls beeindruckend: Seit 25 Jahren sind Sie im Vorstand, seit 2002 leiten sie die Bank. Erfüllt Sie das mit Stolz?
In erster Linie muss man sich nach so vielen Jahren die Frage stellen, ob man der Veränderungsdynamik noch gewachsen ist und nicht versucht, den Herausforderungen nur mit Routine zu begegnen. Aber natürlich bin ich auch ein bisschen stolz, diese Aufgabe so lange wahrnehmen zu können.
Wie lange wollen Sie diese Aufgabe noch machen?
Wichtig ist die Freude an der Aufgabe, die habe ich immer noch. Mein Vertrag läuft noch vier Jahre, so lange muss man mit mir noch rechnen. Und so lange ich beim Halbmarathon schneller bin, als meine Abteilungsleiter, so lange muss ich eh weitermachen (lacht).
Wenn man eine Bank so lange anführt und sich die Entwicklung anschaut, muss man viel richtig gemacht haben. Wie würden Sie ihren Führungsstil beschreiben?
Ich bin sehr fordernd, konsequent und diszipliniert. Ich glaube, ich bringe eine gewisse Umsetzungsstärke mit und, was mir in den letzten Jahren bewusster geworden ist, dass man alleine nichts bewegen kann, dass es nur mit einem guten Team geht. Ich setzte deshalb seit einigen Jahren den Hauptfokus meiner Tätigkeit auf die Weiterentwicklung unseres Human Resources-Bereichs.
Worum geht es ihnen dabei?
Darum, die Bank für Mitarbeiter attraktiv zu halten und zu gestalten, damit wir genügend Mitarbeiter bekommen und sie dann entsprechend ans Unternehmen binden. Da gilt es, die richtigen Anreize zu setzen. Wir sind eine Bank mit den höchsten Sozialleistungen in Österreich, aber das alleine reicht nicht, um Wohlbefinden für die Mitarbeiter zu generieren. Es geht auch darum, dass man auch engagierte, motivierte und tüchtige Führungskräfte hat. Mit den richtigen Führungskräften ist eigentlich einfach, deshalb investieren wir in diesen Bereich sehr viel.
Welche Herausforderungen warten in nächster Zeit?
Meine beruflichen Ziele sind: Erstens die Unabhängigkeit der Oberbank zu erhalten. Zweitens das Denken, dass diese Unabhängigkeit für die Bank, für die Mitarbeiter und die Kunden das wichtigste und höchste Gut und alternativlos ist, auf die nächste Generation zu übertragen. Und drittens, dass der Generationswechsel in der Oberbank mustergültig funktioniert.
„Für die Zeit danach ist mir nicht bange“
Sie sprühen vor Tatendrang, beschäftigen Sie sich aber auch schon mit dem Ruhestand?
Nein, aber ich denke, dass es wichtig ist, dass man beizeiten Neigungen entwickelt, die einem neben der Arbeit wirklich Freude machen. Ich habe drei Töchter und fünf Enkel und Familie steht bei mir über allem. Daneben bin ich begeisterter Bergsteiger, Sportler und Jäger. Ich bin als Kleinwald-Besitzer auch Hobbyförster. Zudem lese ich sehr viel, ich bin ja der Vorleser der Familie, werde immer um Empfehlungen gefragt. Mit all diesen Interessen ist mir auch für die Zeit danach nicht bange.
Die Oberbank nimmt nun ein Aktiensplitting vor. Ein Indiz dafür, dass es weiter gut läuft?
Ja, es läuft gut. Mehr darf ich als börsennotiertes Unternehmen erst bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am 24. August sagen.
FED und EZB haben die Leitzinsen erneut erhöht, ihre Einschätzung?
Die Frage ist, ob man nicht in der Vergangenheit zu wenig zu spät gemacht hat und jetzt zu schnell zu viel macht, denn die Wirkung entfaltet sich zeitverzögert. Aber die Erhöhung wird sicher dämpfend auf die Inflation wirken.
Sind die angestrebten zwei Prozent wieder realistisch?
Derzeit nicht und es ist bemerkenswert, dass die EZB an diesem Ziel dogmatisch festhält. Denn Inflationsraten bis vier Prozent sind an und für sich gesund, weil es auf eine gute Wirtschaftsentwicklung hindeutet.
Wird es, wie oft befürchtet, zu einer Rezession kommen?
Wir werden ein schwächeres Wachstum im zweiten Halbjahr sehen, aber ich glaube, dass wir gute Chancen haben, ohne Rezession durchzukommen. Denn es herrscht die Situation, dass sich zwar die Konjunktur abschwächt, aber verbunden mit Vollbeschäftigung. Das gab es noch nie. Solange die Leute jedoch beschäftigt sind und Gehalt beziehen, sind sie in der Lage, zu konsumieren. Das unterscheidet diesen Wirtschaftsabschwung von anderen.
Trotzdem stockt die Kreditvergabe – sollte man nicht die sogenannte KIM-Verordnung aufweichen?
Die böse KIM-Verordung ist nicht schuld, dass die Kreditvergabe eingebrochen ist. Der wirkliche Grund, dass derzeit die Wohnbaufinanzierung um 50 Prozent eingebrochen ist, liegt an der Inflation, an den Zinsen, an den Lebenshaltungskosten, an den Baupreisen. Es ist ja klar, dass wir auch das Wohl des Hauskäufers im Auge haben müssen. Mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens für die Kreditrückzahlung aufzuwenden, geht sich nicht aus. Ich halte es für einen Mythos, dass diese Verordnung der Grund sei, dass die Wohnbauförderung so stark zurückgegangen ist.
Mit Generaldirektor FRANZ GASSELSBERGER sprach Roland Korntner
Extra-Info zum Aktiensplitting der Oberbank
Aufgrund der positiven Kursentwicklung der Aktie führt die Oberbank am 1. August 2023 einen Aktiensplit im Verhältnis 1:2 durch. Für Aktionäre bedeutet das, dass sich die Anzahl der Aktien im Depot verdoppelt und der Gesamt-Kurswert gleich bleibt. Der niedrigere Stückpreis erleichtert die Handelbarkeit der Aktie und die Limitschritte sinken von 50 auf 20 Cent. „Wir freuen uns, dass unsere Aktionäre am Wachstumskurs der Oberbank teilhaben können“, so Generaldirektor Franz Gasselsberger. Der Streubesitz betrug übrigens mit 31. März exakt 35,42 Prozent.