Die Staatsanwaltschaft Trient hat einen Haftbefehl gegen René Benko, den Gründer der insolventen Immobiliengruppe Signa, erlassen. Dieser wird in Österreich aber nicht vollstreckt, sagte ein Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft zur APA. Benko wurde inzwischen bereits vom Tiroler Landeskriminalamt einvernommen, der 47-Jährige bleibt auf freiem Fuß. Spezielle Auflagen für den Investor gebe es nicht.
Unterdessen wurden in Italien weitere Personen festgenommen, darunter der Bozner Wirtschaftsberater und Signa-Italien-Chef Heinz Peter Hager und die Bürgermeisterin von Riva del Garda, Cristina Santi. Alle stehen unter Hausarrest. Auch im Bozner Rathaus nahm die Polizei italienischen Medienberichten zufolge eine Durchsuchung vor.
Italienische Behörden sehen Benko als zentrale Figur
Die Staatsanwaltschaft von Trient sieht den aus Tirol stammenden Benko als zentrale Figur rechtswidriger Machenschaften: Dank seiner wirtschaftlichen Macht sei Benko einer der Förderer der kriminellen Vereinigung, die in Italien etabliert und eng mit Heinz Peter Hager verbunden sei, so die Behörde. Benko habe Hager Hinweise gegeben, wie er Genehmigungen für Bauprojekte erhalten könne. Festgenommen worden sei auch ein Bozner Journalist, der enge Kontakte zu Hager unterhielt, berichtete die Behörde.
Ein Europäischer Haftbefehl muss nicht vollstreckt werden, wenn dieser einen österreichischen Staatsbürger betrifft, gegen den auch im Inland ein entsprechendes Verfahren geführt werden kann, erklärte Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr. Näheres – auch zum Inhalt der Einvernahme – verlautete es von der Innsbrucker Anklagebehörde nicht.
100 Razzien in Italien
Insgesamt wurden am Dienstag 100 Durchsuchungen bei weiteren Personen durchgeführt, gegen die ermittelt wird. Ziel waren Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in den Provinzen Trient, Bozen, Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona sowie im Ausland. Die vom Amtsgericht Trient auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassene Maßnahme ist den Angaben zufolge Ergebnis einer komplexen Ermittlungstätigkeit, die von der italienischen Polizei und der Steuerpolizei durchgeführt wurde.
„Es wird kein Europäischer Haftbefehl gegenüber Herrn Benko vollzogen. Herr Benko wird weiterhin – wie bisher – mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen“, hatte auch Benkos Anwalt Norbert Wess in einer ersten Stellungnahme gegenüber der APA erläutert.
Mehrere Straftaten vorgeworfen
Die den Personen zur Last gelegten Vorwürfe umfassen laut Staatsanwaltschaft von Trient die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, unrechtmäßige Parteienfinanzierung, unzulässige Einflussnahme, Betrug, unrechtmäßigen Bezug von Leistungen zum Nachteil des Staates sowie verschiedene Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung, darunter Korruption, unzulässige Veranlassung zu Handlungen, Offenlegung von Amtsgeheimnissen und Unterlassung von Amtshandlungen, ebenso wie Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausstellung von Rechnungen für nicht tatsächlich durchgeführte Geschäfte. Laut Aussendung der Trienter Staatsanwaltschaft gilt bis zur möglichen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung der Staatsanwaltschaft Trient zu verschiedenen Immobilienprojekten in Norditalien laufen auch Ermittlungen in Südtirol. Die Ermittlungen betreffen Projekte in den Jahren 2018 bis 2022. Insgesamt 77 Personen sind von den Nachforschungen betroffen, darunter elf Beamte der öffentlichen Verwaltung, 20 Manager und Beamte lokaler Behörden und Beteiligungsgesellschaften, Angehörige der Polizei, Freiberufler und auch eine Reihe von Südtiroler Unternehmern.
Haftbefehle gegen neun Personen
Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft von Trient Haftbefehle gegen neun Personen erlassen. Neben Benko und dem Steuerberater Hager finden sich darunter ein Unternehmer aus der Stadt Rovereto, Paolo Signoretti, der ehemalige Bürgermeister von Dro und Senator Vittorio Fravezzi, die Bürgermeisterin von Riva del Garda, Cristina Santi, die Architekten Fabio Rossa und Andrea Saccani, der Journalist Lorenzo Barzon sowie die im Amt für Stadtplanung tätige Beamtin der Stadtverwaltung Bozen, Daniela Eisenstecken.
Von den Personen, gegen die ermittelt wird, wurden zum Teil Beschlüsse der öffentlichen Verwaltung beeinflusst und kontrolliert, insbesondere im Bereich der Bauspekulation in Trentino-Südtirol. Die beteiligten Unternehmer sollen sich zur Verfügung gestellt haben, um die Wahlkampagnen der lokalen Verwaltung zu finanzieren und um dann Konzessionen, vereinfachte Verfahren und Zugeständnisse für ihre Immobilienprojekte zu erhalten.
Die schillernde Figur Heinz Peter Hager
Als gesetzlicher Vertreter einiger Gesellschaften ist Hager in diese Ermittlungen involviert. Der Signa-Italien-Chef ist Präsident der WaltherPark AG. Seit mehr als zehn Jahren ist er Partner von Benko. Der Wirtschaftsberater mischt seit Jahren bei vielen Immobilienprojekten mit. Über das Projekt „Waltherpark“ in Bozen hat er einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. „Heinz Peter Hager hat den Ermittlern volle Zusammenarbeit angeboten und äußert großes Vertrauen in die Justiz“, teilte die Pressestelle des bekannten Bozner Wirtschaftsprüfers mit.
Der erlassene Haftbefehl für Rene Benko beschäftigt jetzt auch das italienische Parlament. Die Anti-Mafia-Kommission im Parlament in Rom hat bei der Staatsanwalt in Trient den Zugang zu den Ermittlungsakten beantragt. Die Kommission will vor allem die Immobilienprojekte prüfen, in die Benko und andere italienische Unternehmer verwickelt sind. Vermutet wird, dass auch die Mafia die Finger im Spiel haben könnte, verlautete es aus der Kommission in Rom.
Ermittlungen starteten 2019 nach unbefugtem Zugriff auf IT-System
Die Ermittlungen begannen 2019 nach einem unbefugten Zugriff auf das IT-System einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung von Bozen. Laut den Ermittlern hätten die beteiligten Unternehmer Beamten und in der öffentlichen Verwaltung Tätigen Geschenke, Gefälligkeiten und Geld angeboten, um öffentliche Aufträge zu erhalten. Bei den Durchsuchungen im Bozner Rathaus wurden Tablets, PCs und Smartphones beschlagnahmt.