Kocher gegen Cooling-Off-Phase vor Wechsel in die OeNB

Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) kann der Idee einer Cooling-Off-Phase für Regierungspolitiker vor einem Wechsel in die Nationalbank (OeNB) wenig abgewinnen. Zwischen seinem Ministeramt und dem Posten als Gouverneur sehe er keine Unvereinbarkeit, außerdem sei die mitgebrachte wirtschaftspolitische Erfahrung für die dortige Praxis vorteilhaft, argumentierte er im Gespräch mit der APA. Über seine Zeit als Minister zog er eine positive Bilanz.

Grundsätzlich erachte er längere Zwangspausen vor dem Umstieg in manchen Bereichen als vernünftig, etwa beim Verfassungsgerichtshof, wo es nicht sein dürfe, dass „Politiker über Gesetze urteilen, die sie selbst möglicherweise verantwortet haben“. In seinem Fall gebe es jedoch keine solchen Widersprüche oder praktischen Probleme, weil er aktuell keine Verantwortlichkeit in der Geldpolitik und auch keine Aufsicht darüber habe, sagte der künftige OeNB-Gouverneur auf entsprechende Forderungen von Teilen der Opposition angesprochen.

Zu seinen geldpolitischen Positionen wollte Kocher nichts verraten. Hierzulande sei es „gute Praxis“, sich dazu als angehender Gouverneur nicht zu äußern, zumal die Materie sehr sensibel sei. Mit Geldpolitik kam Kocher nach eigenen Angaben in seiner Laufbahn als Ökonom jedenfalls oft in Berührung, für den Posten fühle er sich daher „gut vorbereitet“. Die Funktionsperiode des aktuellen OeNB-Chefs Robert Holzmann läuft noch bis Ende August 2025.

Zufrieden zeigte sich Kocher mit seiner Zeit als Minister. So sei trotz Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Wirtschaftskrise einiges gelungen, etwa die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Auch der Energiekostenzuschuss für Unternehmen habe den Staat letztlich weniger gekostet als erwartet. Nach ersten Schätzungen von rund 7 Mrd. Euro werde sich der Betrag irgendwo zwischen „1 Mrd. und maximal 1,6 Mrd.“ einpendeln, erklärte Kocher. Grund ist der Rückgang der Energiekosten, allerdings sei der Zuschuss auch effizient ausgestaltet und eine Überförderung daher verhindert worden.

Die von ihm vorgeschlagene Reform der Arbeitslosenversicherung, die letztlich keine Zustimmung beim grünen Regierungspartner fand, verteidigte Kocher, denn diese hätte aus seiner Sicht einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels gebracht.

Das Thema Arbeitskräftemangel beschäftigt zahlreiche Unternehmen in Österreich. Der Arbeitsminister wies darauf hin, dass die Arbeitskräfte-Knappheit aufgrund des demografischen Wandels in den kommenden Jahren und Jahrzehnten größer wird. „Wir müssen uns auf allen Ebenen anstrengen, das, was es noch gibt an Potenzial, auch wirklich anzusprechen“, sagte Kocher. „Es ist kein Untergangsszenario, es wird aber schwieriger werden.“

Die Reform der Rot-Weiß-Rot-Aufenthaltskarte für Arbeitskräfte von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums hat seit Mitte 2021 zu einem deutlichen Anstieg geführt. Im Jahr 2021 gab es laut Innenministerium rund 4.700 aktive RWR-Karten, Stand Juli 2024 waren es bereits 11.000. Die Top-4-Herkunftsländer sind Bosnien-Herzegowina (2.200 Personen), China (1.050), Serbien (900) und Indien (800). Bis Ende 2027 rechnet Kocher mit 15.000 ausgestellten RWR-Karten jährlich. Die genaue Zahl sei aber aufgrund der Konjunkturentwicklung schwierig zu prognostizieren. Eine zahlenmäßige Obergrenze gibt es bei der Rot-Weiß-Rot-Karte nicht. Die Karte wird in der Regel für 24 Monate ausgestellt.

Für Aufregung bei SPÖ, Arbeiterkammer, Schulungsanbietern und Frauenorganisationen hatten zuletzt mögliche Kürzungen des Arbeitsmarktservice-Förderbudgets im kommenden Jahr geführt. Die aktive Arbeitsmarktpolitik des AMS umfasst vor allem die Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der Mobilität und die befristet geförderte Beschäftigung in kommerziellen Betrieben oder in sozialen Unternehmen zur Erleichterung des (Wieder-)Einstiegs ins Arbeitsleben. Arbeitsminister Kocher verneinte Kürzungen beim AMS-Förderbudget. „Es ist ein Missverständnis, es gibt kein Budget für das Jahr 2025“, sagte Kocher. Die AMS-Budgetplanungen für die aktive Arbeitsmarktpolitik im kommenden Jahr würden sich auf den Bundesfinanzrahmen beziehen und das Budget werde von der neugewählten Regierung wohl im Nachhinein erhöht. Um die Phase zu überbrücken, könne das AMS auf Rücklagen in „hoher zweistelliger Millionenhöhe“ in den ersten Monaten 2025 zurückgreifen, betonte Kocher.

In Nicht-Wahljahren werden die Grundlagen für das AMS-Förderbudget im folgenden Jahr im Rahmen der Budgetverhandlungen zwischen den verschiedenen Ressorts und dem Finanzminister im Spätsommer und Frühherbst fixiert. Aufgrund der Nationalratswahlen im September und der anschließenden Koalitionsverhandlungen wird das finale AMS-Förderbudget erst nach der Regierungsbildung fertiggestellt. AMS-Vorständin Petra Draxl sprach Mitte Juli von einer vorläufigen Reduktion des Förderbudgets um 6 Prozent auf 1,33 Mrd. Euro. „Ich würde vermuten, dass die nächste Regierung uns dann, sobald sie steht und ein neues Budget hat, wahrscheinlich wieder was draufgibt“, sagte AMS-Vorstand Johannes Kopf damals.

Die von Kocher angestrebte und vom Rechnungshof empfohlene Reform der Bildungskarenz wird aus Sicht des Arbeitsministers aufgrund weiter steigender Kosten von der kommenden Regierung umgesetzt werden müssen. ÖVP und Grüne konnten sich bisher auf keine Neuregelung einigen. Die Bildungskarenz für mehr als 20.000 Personen hat das AMS im Vorjahr mehr als 500 Mio. Euro gekostet. Aufgrund steigender Bildungskarenz-Zahlen würden die Ausgaben auch 2024 höher ausfallen, so der Arbeitsminister. Kocher wies darauf hin, dass sich das gesamte Budget für die aktive AMS-Arbeitsmarktpolitik ohne Bildungskarenz im Vorjahr auf rund 1,4 Mrd. Euro belief und 344.000 Personen von den Förder- und Schulungsangeboten profitierten.

Kritik an den Aussagen Kochers kam von der FPÖ. So habe er in seiner Amtszeit etwa den „zerstörten Wirtschaftsstandort, die Corona-Maßnahmen, die horrende Inflation“ oder „die steigende Arbeitslosenzahl“ verursacht oder mitgetragen, so die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung. Mit seiner Politik bediene Kocher „höchstens den finanziellen Hochadel und sich selbst“. Deshalb lehne er auch eine Cooling-Off-Phase für sich vor seinem Wechsel in die Nationalbank kategorisch ab, hieß es in der Mitteilung.

Die mobile Version verlassen