„Es ist ein schleichender Prozess, der gewaltige Umwälzungen mit sich bringen wird.“ So fasst Raphael Weinberger jene Entwicklungen durch die E-Mobilität zusammen, die aus seiner Sicht die KFZ-Fachwerkstätten erfassen wird.
Batterierecycling und Elektroauto-Abos
In seiner Masterarbeit am Institut für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Graz hat der Oberösterreicher aus Mühlheim am Inn die „Herausforderungen und Möglichkeiten für Kfz-Werkstätten im Übergang zur E-Mobilität“ untersucht. Darin ortet Weinberger einerseits geringeren Bedarf an Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten bei E-Autos. Andererseits ergeben sich durch den Übergang zur E-Mobilität auch neue Geschäfts- und Tätigkeitsfelder, wie beispielsweise die Wiederverwendung und Verwertung von gebrauchten Batterien, innovative Mobilitätskonzepte, wie Car-Sharing oder E-Auto-Abos.
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Auch im Bereich Thermomanagement, Karosserieschäden mit zum Teil Leichtbaustrukturen oder der Herstellung und dem Betreiben von Ladeinfrastruktur eröffnen sich für Werkstätten Umsatzpotenziale, erläutert Weinberger.
„Das Thema E-Mobilität brennt allen unter den Nägeln. Wir sehen jedoch eine Entwicklung mit zwei Geschwindigkeiten. Die Vertragswerkstätten sind – allerdings noch mit geringen Umsätzen – bereits in der E-Mobilität angekommen. Die Freien markenunabhängigen Werkstätten hingegen sind – mit Ausnahme einiger Pioniere – abwartend und noch ganz am Anfang“, sagt Weinberger.
Hohe Investitions- und Ausbildungskosten
Das sei unter anderem auch durch Investitionskosten von einigen tausend Euro für einen E-Auto-Standplatz samt Ladestation und Hebebühne zu erklären. Zeit- und kostenintensiv sind auch die nötigen Hochvoltausbildungen und Auffrischungen für die Mitarbeiter.
Obwohl Weinberger seine Interviews 2022 in der Steiermark durchgeführt hat, geht er davon aus, dass die Lage 2024 in Oberösterreich ganz ähnlich ist. Da E-Autos deutlich weniger mechanischen Verschleiß und somit weniger Reparaturbedarf aufweisen, sei die Frage nach anderen, neuen Geschäftsfeldern topaktuell. „Ich sehe viele Chancen, die aber auch mit Herausforderungen verbunden sind, insbesondere für die markenunabhängigen Werkstätten“, sagt Weinberger.
Beispielsweise durch das Angebot von Carsharing-Modellen ergeben sich laut Weinbergers Analyse zusätzliche Umsatzpotenziale für Fachwerkstätten in urbanen Gebieten. Damit könne man einerseits auf verändertes Mobilitätsverhalten reagieren und gleichzeitig neue Käuferschichten mit E-Autos vertraut machen.
Ladestationen als mögliches Zusatzgeschäft
Mit der Möglichkeit, E-Autos mit der eigenen PV-Anlage zu laden, steige deren Attraktivität enorm. „Beim Verkauf eines E-Autos auch gleich die Errichtung und Wartung einer privaten Ladestation anzubieten, kann ein attraktives Zusatzgeschäft sein“, glaubt Weinberger. Um mehr Schlagkraft zu erzeugen, rät er zu Kooperationen mit Anbietern von Ladelösungen oder Energieversorgern. Ist die Leistungsfähigkeit der Batterien für den Antrieb von E-Autos nicht mehr gegeben, ergeben sich alternative Nutzungsmöglichkeiten in Elektrorollern, E-Gabelstaplern oder als stationäre Speicher für Photovoltaikanlagen.
„Raphael Weinberger hat Pionierarbeit geleistet. Erstmals wurde die Mobilitätswende aus Sicht der Fachwerkstätten wissenschaftlich analysiert“, betont Jörg Silbergasser, Landesinnungsmeister der Fahrzeugtechniker. „Seine Arbeit ist doppelt wertvoll: Sie analysiert nicht nur den Status-quo, sondern zeigt sehr klar auf, welche zusätzlichen Chancen sich für unsere Mitgliedsbetriebe durch die E-Mobilität eröffnen.“
Von Oliver Koch