Wifo-Ökonom Franz Sinabell ortet im Kräftemessen zwischen der MGN Milchgenossenschaft als Miteigentümerin der Molkerei NÖM und der Supermarktkette Spar um die Preise für Milchprodukte eine „Pattsituation“. Seiner Einschätzung nach sehen sich die Parteien jeweils in einer starken Verhandlungsposition, was der Grund dafür sei, dass diese nach außen hin Härte signalisieren, sagte er im Gespräch mit der APA. Für den Agrarexperten sind die Argumente beider Seiten nachvollziehbar.
Die Bauern der MGN Milchgenossenschaft Niederösterreich, Lieferanten und Miteigentümer der Molkerei NÖM, hatten wegen stockender Verhandlungen um die Preise einen Lieferstopp für Milchprodukte an Spar ausgerufen, der in Bezug auf Produkte mit NÖM-Logo aufrecht ist. Für die Eigenmarke von Spar liefert die Molkerei weiter. Die Verhandlungen werden zwischen Spar und NÖM geführt.
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Auslöser für den auch öffentlich ausgetragenen Konflikt sei die Entwicklung der Milcherzeugerpreise in Europa, erklärte Sinabell. „Die Bauern orientieren sich an den europäischen Milchpreisen. Und an den jüngsten Anstiegen wollen sie natürlich teilhaben. Wenn die Molkereien die Milch der Bauern aber nicht zu höheren Preisen an den Lebensmitteleinzelhandel absetzen können, gleichzeitig aber mit gestiegenen Lohnkosten zu kämpfen haben, dann kommen die Molkereien in Bedrängnis.“
Dazu geselle sich ein aktuell leicht knapperes Angebot an Milchprodukten am europäischen Markt, das unter anderem auf die Verbreitung der Blauzungenkrankheit in mehreren Ländern zurückzuführen sei. Nicht nur reagiere der Milchpreis darauf vergleichsweise sensibel, den Molkereien stünden damit auch potenziell andere Absatzkanäle offen – laut Sinabell ebenso ein möglicher Druckpunkt in Verhandlungen.
Für die Molkereien, die untereinander konkurrieren, gehe es letztlich aber auch darum, ihre Lieferanten (die Bäuerinnen und Bauern, Anm.) an der Stange zu halten. Es sei also in ihrem Interesse, höhere Preise für diese zu erwirken, die sie aus ihrer Perspektive möglichst nicht selbst zu schultern haben.
Gleichermaßen ist aus Sicht von Sinabell auch die Argumentationslinie von Spar schlüssig. Denn die Preise für Futtermittel seien, so wie von dem Handelsunternehmen ins Treffen geführt, in der jüngeren Vergangenheit tatsächlich gesunken. Ebenso seien auch Energieträger wieder günstiger geworden. Spar hatte seine Ablehnung von einer deutlichen Preiserhöhung auf das gesamte NÖM-Sortiment unter anderem mit ebendieser Kostenentwicklung begründet.
Für den Beobachter sind daher „beide Argumentationsketten einleuchtend“. Zu bedenken gibt Sinabell aber, „dass beide Seiten öffentlich nicht mit allen Kostenkomponenten argumentieren, sondern nur mit jenen, die die eigene Sichtweise plausibel darstellen“. Vergleichbar sei das mit den Kollektivvertragsverhandlungen, „wo jede Seite mit den unterschiedlichen, jeweils nachvollziehbaren Argumenten in die Verhandlungen“ geht. An einer längerfristigen Blockade könne jedenfalls keiner der Beteiligten ein Interesse haben.
Nicht verwunderlich ist für den Agrarökonomen, dass NÖM weiterhin Produkte für die Eigenmarke von Spar liefert. „Da nehme ich an, dass Verträge bestehen, die für beide Seiten vorteilhaft sind. Es ergibt daher wohl für beide Seiten keinen Sinn, diese nicht zu erfüllen“, vermutet er.
Von Spar hieß es zum aktuellen Status der Verhandlungen auf APA-Anfrage, dass die Gespräche andauern. Details nannte eine Sprecherin nicht.