Trotz wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Ukraine hat der oö. Getränke- und Lebensmittelhersteller Spitz mit Sitz in Attnang-Puchheim die damit verbundenen „Preisverwerfungen“ zu spüren bekommen. Für Eigentümer und GF Walter Scherb eine „paradoxe Situation“. Eine echte „Challenge“ für das Familienunternehmen sei die Einführung des Einwegpfands für PET-Flaschen und Dosen ab 2025, meinte der CEO im Gespräch mit der APA.
Nach Ausbruch des Kriegs der Russen in der Ukraine und der damit verbundenen Ausfuhrblockade von Weizen habe Spitz eigentlich mit keinen Auswirkungen auf den eigenen Betrieb gerechnet. „Wir beziehen de facto keine Rohstoffe aus der Ukraine, wir beziehen unser Weizenmehl aus österreichischen Mühlen“, erläuterte Scherb. Doch der Preis in Österreich ist ja mit dem Weltmarktpreis verbunden.
„Er habe aus den Vorlieferketten zu hören bekommen, entweder man bezahle“ den gleichen Preis, wenn nicht, verkauft man ins Ausland. Das war für uns eine paradoxe Situation, denn unsere erste Reaktion war: „Zum Glück beziehen wir nichts aus der Ukraine.“
Das galt auch für den Energiebereich. Bis Kriegsausbruch „war mir die Verzahnung der Energiemärkte gar nicht so bewusst“, gab er ein „Learning“ seitdem zu. Nachdem das Unternehmen „für die gesamte Prozesswärme kein Gas“ verwende – „wir haben ein Biomassekraftwerk an unserem Standort und produzieren unseren gesamten Dampf aus Hackschnitzel“ – wähnte man sich vom Gaspreis unabhängig. Aber, so Scherb weiter, „wir brauchen extrem viel Strom. Obwohl wir schon mit Biomasse und Photovoltaik Strom produzieren, reicht die Menge nicht für den Verbrauch“. Daher traf der hohe Strompreis Spitz ebenso wie alle unsere Vorlieferanten, wie etwa die Zucker- oder Kartonage-Industrie der gestiegene Gaspreis. Energie war der primäre Treiber für die gesamte Kostenexplosion. „Wir waren gesamt gesehen über alle Zukäufe im Durchschnitt mit Preiserhöhungen von rund 30 Prozent konfrontiert gewesen“, meinte er.
Quasi über Nacht seien Preise „auch im Rahmen bestehender Kontrakte von den Lieferanten ausgehebelt und direkt an uns weitergegeben worden. Wir sind angerufen worden, dass, wenn wir die Preise nicht akzeptieren, der Lkw auf dem Weg zu uns wieder umdreht. Wir haben die Mehrkosten auf uns genommen im Vertrauen, dass die Kosten auch weitergegeben werden können an den Handel“, berichtete Scherb.
„Aber in Krisenzeiten ist es wahnsinnig wichtig, die Lieferfähigkeit aufrecht zu erhalten, nichts schürt Konsumentenpanik mehr als leere Regale. Mit diesem Trauma aus Corona in unseren Köpfen haben wir gesagt, egal, was passiert, in einem ersten Schritt müssen wir die Kosten auf uns nehmen und haben Verluste gemacht. Die kurzfristigen Erhöhungen haben wir erst auf unsere Kappe nehmen müssen, bevor wir sie weitergegeben haben“, so der Firmenchef im Gespräch. Von der Krise habe aber keiner profitiert, schloss er sich nicht der Kritik vieler Lebensmittelhersteller am Handel an. Dies habe letztendlich auch die Bundeswettbewerbsbehörde jetzt festgestellt.
Der Blick auf das aktuelle Geschäftsjahr (per 31. März 2024) stimme positiv. Gemessen am Absatz der rund 900 Artikel werde „man wieder im einstelligen Prozentbereich“ wachsen. Im vergangenen Geschäftsjahr betrug der Umsatz 270 Mio. Euro. Die Lebensmittelindustrie sei „sehr krisenresistent“, daher spüre Spitz eine Rezession noch nicht wirklich, meinte der CEO. Allerdings werde tendenziell bei gewissen Produkten schon sehr auf den Preis geschaut. Obwohl laut Umfragen den Konsumenten der heimische Honig wichtig sei, würden Kunden inzwischen zum günstigeren Produkt aus Europa „switchen“, nannte er ein Beispiel.
Eine „echte Challenge“ sei derzeit die Implementierung des Einwegpfandes auf PET-Flaschen und Dosen ab 2025. „Wir dachten, dass es für den Konsumenten und die ganze Kette eine Lösung gibt, die simpler ist in der Umsetzung, nämlich, dass wir uns verstärkt darauf fokussieren, die einzelnen Kunststoff-Fraktionen aus der gelben Tonne zu sortieren.“ Aber wenigstens habe Österreich „aus den Fehlern Deutschlands“ beim Pfand gelernt. So seien etwa anfangs im Nachbarland Saft und Milchprodukte aus der Dose davon ausgenommen gewesen, ein Energydrink hingegen nicht. „Dies hat zu skurrilen Situationen geführt, dass wenn 51 Prozent Molke zum Energy-Drink hinzugefügt wurde, der Drink vom Pfand befreit war. Österreich fokussiert sich aber weniger auf die Kategorien der Produkte sondern auf die Gebinde.“
Was Spitz unmittelbar am meisten betreffe, sei eine notwendige Änderung in der Produktion der Etiketten. „Wenn wir etwa für Italien oder Slowenien mitproduzieren, dann geben wir die Rezepturangabe einfach in den beiden Sprachen auf das österreichische Etikett. Mit einer Produktion kann in alle Märkte geliefert werden. Wenn jedes europäische Land, wie es gerade passiert, isolierte Pfandsysteme einführt, dann gelten die Etiketten nur für das jeweilige Land. Mehr Dosen, mehr Etiketten für unterschiedliche Märkte potenziert die Komplexität für einen Hersteller massiv, das geht bis zur Logistik, zur Lagerhaltung von Leer- und Fertigmaterialien.“ Dafür sei nicht jedes Unternehmen ausgerichtet. „Eine Dose für fünf Länder konnte bisher in einem gemeinsamen Blocklager gelagert werden, künftig müssen es fünf getrennte Lagerplätze sein“, veranschaulichte er die Herausforderung.
Eine Frage, die sich auch noch stelle: „Was passiert mit neuen Produkten, die wir verschenken an hochfrequentierten Plätzen, wenn ich eigentlich Dosen oder PET-Flaschen ohne Pfand gar nicht in den Verkehr bringen darf?“
Das Familienunternehmen Spitz mit 750 Mitarbeitern zählt zu den größten Nahrungsmittelherstellern in Österreich. Vor knapp fünf Jahren wurde Walter Scherb (geb. 1989), Mitglied der dritten Generation der Eigentümerfamilie, CEO. 2007 übernahm Spitz die Mehrheit von Gasteiner Mineral. Zu der Gruppe gehören seit 2013 auch der niederösterreichsche Süßwarenhersteller Blaschke-Auer und seit 2017 die Salzburger Honigmanufaktur Honigmayr. Auch wenn aktuell laut CEO „keine Übernahmen“ geplant seien, beobachte er den Markt „sehr genau“, ob sich Gelegenheiten ergeben. Das Sortiment umfasst derzeit rund 900 Artikel für knapp 300 Kunden in 23 Ländern, hieß es vom Unternehmen. Die Exportquote beträgt 45 Prozent. 64 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet der Bereich Getränke, jeweils 18 Prozent steuern die Sortimente „Süß- und Backwaren“ sowie „Süß und Sauer“ bei.