Dem Linzer Stahlkonzern voestalpine setzt die schlechte Konjunktur massiv zu. Jetzt wird gespart. „Wir starten Sparprogramme in ganz Europa und legen Bereiche zusammen“, sagte CEO Herbert Eibensteiner am Mittwoch in einer Pressekonferenz. In den ersten drei Quartalen 2023/24 halbierte sich der Gewinn nach Steuern im Jahresabstand von 864 Mio. auf 431 Mio. Euro, wie das Unternehmen am Mittwoch bekanntgab. Der Umsatz sank um 8,8 Prozent auf 12,4 Mrd. Euro.
Nun sind weitere „Effizienzmaßnahmen“ angesagt. Es gebe „natürlich Anpassungen an die unterschiedliche Auslastung in einzelnen Werken“, so Eibensteiner. In Deutschland gebe es beispielsweise Kurzarbeit. Und bei Buderus Edelstahl im deutschen Wetzlar habe der Konzern einen Personalabbau abgeschlossen.
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Zu flächigen Einschnitten in der Belegschaft dürfte es jetzt nicht kommen: „Es bleibt bei den Anpassungen und es wird sicher nicht zu wesentlichen Veränderungen im Mitarbeiterbereich kommen“, betonte der Konzernchef. In Linz etwa sei die Auslastung relativ gut – auch in den nächsten Monaten. Es würden nur „da und dort Sparmaßnahmen“ getroffen. Konkret nimmt die Voest den Angaben zufolge weniger Mitarbeiter auf, Überstunden werden zurückgefahren und die Zahl der Leiharbeiter wird reduziert. „Das Gleiche gilt natürlich auch für die steirischen Standorte“, sagte Eibensteiner. Alleine in Österreich beliefen sich die Personalkosten auf rund 2 Mrd. Euro jährlich, vermerkte er. Entsprechend hoch sind die Auswirkungen der Kollektivvertragserhöhungen.
Der Einsparungsprozess läuft: „Wir haben aktuell noch 3.700 Überstunden und Leihpersonaläquivalente in der voestalpine – das ist der Spielraum, den wir haben, und wir haben uns bereits im Laufe des Jahres an diese Situation angepasst“, erklärte der CEO. Seit Beginn des aktuellen Geschäftsjahres, also seit April, trennte sich der Konzern von rund 900 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter weltweit, hieß es auf APA-Anfrage. Die Zahl der weltweit festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sich zum Stichtag 31. Dezember 2023 im Jahresabstand sogar leicht erhöht – um 694 auf 50.712 Beschäftigte (Vollzeitäquivalente).
Schon seit längerem zieht die voestalpine auch ihr reguläres Sparprogramm durch, wo versucht wird, jedes Jahr rund 300 Mio. Euro einzusparen. „Und da haben wir noch etwas draufgesetzt“, so Eibensteiner. Der erwartete Konjunkturrückgang sei in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres deutlich spürbar gewesen. „Vor allem die schwache Wirtschaft in Europa drückte auf das Ergebnis der voestalpine“, sagte der CEO in der Pressekonferenz. Und das dürfte so bleiben: Für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres 2023/24 werde für Europa weltweit die schwächste wirtschaftliche Entwicklung erwartet. Die Eurozone sei in den letzten beiden Quartalen an der Grenze der Rezession vorbeigeschrammt und auch für das letzte Quartal des aktuellen Geschäftsjahres seien keine positiven Impulse erwartbar.
Deutlich abgeschwächt hätten sich etwa die zinssensitiven Segmente Konsumgüterindustrie, Bau und Maschinenbau – vor allem der Werkzeugbau sei rückläufig. Hier erwartet die voestalpine auch für das vierte Quartal ihres Geschäftsjahres 2023/24 keine Erholung. Weiterhin stabil sieht die Konzernleitung das Segment Automobilindustrie. Vor dem Hintergrund der Beseitigung der Lieferkettenschwierigkeiten sei die Nachfrage auch schon in den ersten drei Quartalen stabil gewesen.
Das Energiesegment werde die bisherige gute Dynamik weiter fortsetzen. Auch für den Bereich Eisenbahnsysteme wird eine weiterhin anhaltend gute Marktentwicklung erwartet. Selbiges gelte für die Luftfahrtindustrie, in der nach dem massiven Einbruch im Zuge der Covid-19-Pandemie eine dynamische Erholung eingesetzt habe.
„Vor diesem Hintergrund erwartet der Vorstand der voestalpine – unter der Prämisse keiner unerwarteten wirtschaftlichen Verwerfungen – für das Geschäftsjahr 2023/24 ein EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; Anm.) im Bereich um 1,7 Mrd. Euro“, sagte der Konzernchef. Der Konzern lässt seine Guidance für das Gesamtjahr also trotz des erlittenen Gewinneinbruchs unverändert. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres sackte das EBITDA von 1,9 Mrd. auf 1,3 Mrd. Euro ab – ein Minus von 32 Prozent. 2022/23 war die Voest noch schwungvoll unterwegs gewesen – mit einem kräftigen EBITDA-Anstieg von 11 Prozent auf 2,5 Mrd. Euro.
Das neue Edelstahlwerk in Kapfenberg (Steiermark) ist den Konzernangaben zufolge seit Beginn des Jahres 2024 im alleinigen Betrieb. Das alte Edelstahlwerk sei mit Jahresende 2023 wie geplant abgestellt worden. Die Errichtung während der Coronajahre kostete letztlich deutlich mehr als ursprünglich geplant: „Diese 350 Mio. Euro waren der ursprüngliche Projektplan – wir haben jetzt eine Verteuerung von ein bisschen über 30 Prozent“, sagte Eibensteiner zur APA. Im neuen Werk produziere die voestalpine jährlich bis zu 205.000 Tonnen Hochleistungswerkstoffe für die Automobil-, Luftfahrt- und Energieindustrie und sichere damit rund 3.500 Arbeitsplätze in Kapfenberg und Mürzzuschlag ab.
Insgesamt fühlt sich die voestalpine aufgrund ihrer breiten Ausrichtung in unterschiedlichen Marktsegmenten und Wirtschaftsregionen „solide aufgestellt“. Entscheidend werde allerdings sein, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes sichergestellt werde. „Kernpunkte hierfür sind der Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung und der Netze sowie die Verlängerung der Strompreiskompensation bis 2030“, meinte Eibensteiner. „Wichtig ist, dass der Energiepreis runterkommt.“
Österreich nutze die Freiräume, die die EU geschaffen hat, leider nicht, bemängelte der voestalpine-Chef. Die EU ermögliche indirekte CO2-Kosten bei der Energie zu kompensieren. „In 14 Ländern ist das umgesetzt, in Deutschland wurde das sogar bis 2030 verlängert“, so Eibensteiner. In Österreich hingegen sei die Strompreiskompensation, konkret das Stromkostenausgleichsgesetz (SAG), nur für 2023 implementiert und nicht verlängert worden“, kritisierte er. Das sei ein klarer Wettbewerbsnachteil.
„Eine erfolgreiche Transformation ist nur mit grünem Strom zu wirtschaftlichen Preisen möglich“, hielt der CEO weiters fest. Aus dem österreichischen Transformationsfonds für die Industrie sollen den Angaben zufolge 90 Mio. Euro an die Voest fließen. Sie habe eine Zusage in dieser Höhe bekommen.
Das neue Lieferkettengesetz, über das am Freitag auf EU-Ebene abgestimmt wird, ist der Voest zu sperrig: Die Anwendung EU-Richtlinie dazu sei „nicht nur äußerst umfassend, sondern auch extrem bürokratisch“. Transparente Lieferketten seien wichtig, „aber aus unserer Sicht ist die Richtlinie in der vorliegenden Form aufgrund ihrer unerfüllbaren Informations- und Prüflasten für die Unternehmen in der Praxis nicht umsetzbar“, so der Konzernchef. „Der Blick nach Deutschland zeigt, dass wir mit dieser Einschätzung nicht alleine sind.“ Deutschland dürfte sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Auch Österreich soll sich laut Eibensteiner „für eine handhabbarere Lösung“ engagieren.