Ein Musikant Gottes in drei Personen: „Bruckners Affe“ in Wilhering

Premiere einer Inszenierung von skurriler Ernsthaftigkeit

Angeblich soll Bruckner Zwiesprache mit dem WIlheringer Affen gehalten haben.
Angeblich soll Bruckner Zwiesprache mit dem WIlheringer Affen gehalten haben. © Kehrer

„Manchmal kommt alles zamm!“ – Mit diesen Worten begrüßte Intendant Joachim Rathke am Mittwochabend das Publikum zur Open-air-Uraufführung des Stücks „Bruckners Affe“ im Stifts-Stadl von Wilhering.

Mit „alles“ war gemeint, dass genau zum Beginn der Premiere Sturm, Starkregen und Gewitter einsetzten. Womit die geplante „theatralische Wanderung“ im wörtlichen Sinn „ins Wasser fiel“. Improvisation war angesagt und diesbezüglich erwiesen sich Rathke und sein Team als wahre Meister. Eine Inszenierung von skurriler Ernsthaftigkeit gelang.

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Das Stück, basierend auf einem Text der Eferdinger Autorin Karin Peschka, stellt Bruckners Leben sozusagen „auf den Kopf“. Es beginnt drei Tage nach dem Tod des Komponisten vor dessen Sarg in der Wiener Karlskirche und arbeitet sich dramaturgisch stringent zurück bis in die Windhaager Zeit und schließlich die Kindheit.

Der Schlüssel zu dieser Abfolge ist die durchaus überraschend und skurril anmutende Rückkehr Bruckners aus dem Sarg. Der Komponist möchte seine „Auferstehung“ nützen, um seine Neunte Symphonie fertigzustellen, doch die äußeren Umstände – eine aufdringliche Verehrerin, der gefürchtete Kritiker Hanslik und selbst der Kaiser – erschweren dies. Symptomatisch für das gesamte Leben Bruckners, der sich immer nur der Musik widmen wollte, aber ständig am Unverständnis seines Umfeldes und an den Widrigkeiten der realen Welt litt.

Der dramaturgische Blick zurück zu den Anfängen hat zur Folge, dass der „Bruckner mittleren Alters“ und später der „junge Bruckner“ in Erscheinung treten, immer in den jeweiligen realen Lebenssituationen des Komponisten. Nicht zufällig auch in der Szene „Bruckner und die Frauen“, die nicht frei von Klischees ist, aber deutlich macht, warum der Komponist angeblich 30 Mal – andere Quellen sprechen von zehn- bis zwölfmal – vergeblich versucht hat, zu heiraten.

Bombastisches Kirchenerlebnis

Im Verlauf des Abends lässt es das Wetter zu, dass zumindest vom Theaterstadl in die Stiftskirche „gewandert“ werden kann. Die Besucherinnen und Besucher werden dorthin geleitet und es erwartet sie ein geradezu bombastischer Teil der Vorstellung, der dem – wie es offiziell heißt „Theater Spectacel Wilhering“ — mehr als gerecht wird.

Der „Musikant Gottes“ träumt, wie er gegen alle Widerstände – etwa im Kampf mit einem Erzengel – und mithilfe der Gottesmutter trotz all seiner Fehler und Schuld in den Himmel zu kommen hofft. Die religiösen Obsessionen Bruckners und seine zwanghafte Marienverehrung, opulente Kostümierungen vor dem Hintergrund der mächtigen Barockkirche, dazu voluminöse Orgelmusik – eine Herausforderung für das Publikum.

Zu den berührendsten Passagen des Abends zählt die Begegnung des „mittelalterlichen“ Bruckner mit dem Wilheringer Affen im Käfig. Der Hintergrund: im 19. Jahrhundert gab es im Stift Wilhering tatsächlich einen lebenden Affen.

Diesen hat Bruckner immer wieder besucht, angeblich soll er Zwiesprache mit ihm gehalten haben. Im Stück ist das der Fall, Bruckner sieht in dem Affen hinter den Gitterstäben in gewisser Weise sich selbst, er fühlt sich ebenfalls gefangen in einem „Käfig“ von Unverständnis, Ablehnung und Verzweiflung.

Theatralisch eindringlich die Schlusspassagen, wenn die drei Bruckner gemeinsam auf der Bühne sind und ein Leben zwischen „himmlischer“ Musik und irdischem „Jammertal“ verkörpern.

Den Text von Karin Peschka nach einer Idee von Norbert Trawöger und in der Dramaturgie von Doris Happl hat Regisseur Joachim Rathke eindringlich umgesetzt, auch wenn – wie gesagt – manches wetterbedingt nicht möglich war, etwa der Gang zum Palmenhaus. Die Kompositionen von Rudolf Jungwirth verleihen dem Ganzen eine Brucknersche Note. Die Kostüme von Kurt Pint und die Choreografie von Ilja van den Bosch machen „Bruckners Affe“ zu einer runden Sache von – inklusive Pause – zweieinhalb Stunden.

Einzelne aus dem Darstellerensemble hier hervorzuheben, wäre unfair – die gesamte umfangreiche Truppe hat beste Arbeit geleistet, die Figuren sind stimmig gestaltet und damit zentraler Bestandteil eines außergewöhnlichen Theaterereignisses, das letztlich nicht einmal das schlechte Wetter verhindert konnte.

Von Werner Rohrhofer