Rekordbesuch beim Freistädter Heimatfilm-Festival

Spielfilmpreis ging an kasachische Produktion

Nicht nur die Filmpräsentationen, sondern auch das Rahmenprogramm mitr Konzerten, einer Fotoausstellung und einem Filmkritik-Workshop stießen auf reges Publikumsinteresse. © Foto: Flora Fellner

Das gut besuchte, von 21.-25. August stattfindende, 37. Festival der „Neue Heimatfilm“ in Freistadt zeichnete sich durch drei Schwerpunkte aus: Die Werkschau von Erich Langjahr, der seit 1988 mit dem Festival verbunden ist, öffnet den Blick auf Ortschaften und Traditionen im Übergang der Zeit (z.B. „Hirtenreise ins dritte Jahrtausend“, 2002). Thematisch verwandt ist die Doku „Gehen und Bleiben“ (2023) des ebenso häufigen Gastes Volker Koepp, welche den ehemaligen nordostdeutschen Gebieten nachspürt, um die Gründe des Bleibens von Bewohnern zu verstehen.

Einen weiteren besonderen Blick auf die Welt bot der Italien-Schwerpunkt des Filmfestivals. Mario Brenta und Karine de Villers Doku „Dietro la porta“ („Behind the door“, 2023) erzählt in 18 Episoden von der Verbindung zwischen Häusern und dem eigenen Inneren. Das Haus wird zum Spiegel der Seele und umgekehrt.

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Die Kamera sammelt die Dinge der Seele, die Umgebung selbst wird zur Person. Ebenso zeigte die Werkschau von Mirko Locatelli das „Gedächtnis der Welt“ („La memoria del mondo“, 2022) in der Erkundung ungewöhnlicher Gebiete zwischen den Alpen und der Lagunenlandschaft Grados oder als Spiegel des Lebens im Marmorsteinbruch von Aurisina („Isabelle“, 2018).

Verbunden mit der Foto-Ausstellung über die ländliche Arbeitswelt im Friaul von Ulderica da Pozzo präsentierte Regisseur Stefano Giacomuzzi das Lebensporträt der Fotographin in „Ulderica – Frute di mont“ (2023). Seine Doku „Claps e Peraulis“ („Stones and words“, 2023) wiederum präsentiert die Poetin Rosanna Bertoja, die im Sammeln von Steinen Poesie und Landschaft verbindet.

Erinnerung in weiter historischer Dimension erkundet „Panorami sommersi – Le origini di Venezia“ (2023) von Samuele Gottardello, der oft verborgenen archäologischen Besonderheiten in der Lagune von Venedig nachspürt und dort zahlreiche Funde aus der römischen Kaiserzeit belegt. Nicht-Orte in den Vorstädten Roms zeigt hingegen der Spielfilm „Una sterminata domenica“ (2023) von Alain Parroni beim Umherziehen von Jugendlichen, die in der Konfrontation mit verwahrlosten Gegenden ihre Identität nicht finden können.

Der dritte Schwerpunkt zeigte sich im Spielfilmwettbewerb in der Weitergabe von Überliefertem an die junge Generation zwischen Akzeptanz und Hinterfragung. Dem kasachischen Beitrag „Bauryna Salu“ (2023) von Ashkat Kuchinchirekov wurde der Spielfilmpreis der Stadt Freistadt zugesprochen.

Der Film zeigt die Aufarbeitung der  Geschichte des Regisseurs, der gemäß nomadischer Stammestradition bei den Großeltern aufwuchs und in einer Salzmine arbeitend, sich erst spät den Eltern annähern konnte. Eine lobende Erwähnung erhielt der Spielfilm „Mountains“ (2023) der US-amerikanischen Regisseurin Monica Sorelle, der ebenso die Bewahrung von Identität in kleinen Gemeinschaften thematisiert.

Die mit der haitischen Tradition verbundenen Einwanderer in Miami sind mit zwei Identitäten konfrontiert. Obwohl sich die jungen Menschen zunächst von der alten Tradition lösen, finden sie letztlich im Brauchtum der Gemeinschaft wieder verstärkt zu dieser zurück.

Der Dokumentarfilmpreis erging an „Sayyareye dozdide shodeye man“ („My stolen Planet“, 2024) der iranischen Regisseurin Farahnaz Sharifi, die in ihrer historischen 8-mm-Filmsammlung ein Mosaik des iranischen Lebens und des Widerstands gegen das Regime bewahrt hat. Ihre Dokumentation der Erinnerung erhielt auch den Preis im Jugendjury-Wettbewerb.

Eine lobende Erwähnung im Doku-Wettbewerb erhielt der österreichische Beitrag „Trog“ (2022) von Gabriele Hochleitner im Rahmen der Trilogie mit den Erzählungen der bewegten Geschichte der ehemaligen Bewohner des Bauernhauses „Trog“ in Goldegg. D

ie Jugendjury wiederum vergab eine lobende Erwähnung an den englischen Spielfilm „Edge of Summer“ von Lucy Cohen. In qualitätsvollen Naheinstellungen, eindrucksvollen Landschaftsimaginationen und sich mit dem Inneren verbindender Geräuschkulisse zeigt der Film zwei junge Menschen auf ihrer Suche nach Verständnis und Loslösung.

Von Michael Aichmayr

P.S.: Das Festival, das 52 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 45 Produktionsländern und vier Kontinenten zeigte, konnte heuer einen Rekordbesuch von rund 3500 Cineasten verzeichnen. „Das Filmfestival Freistadt zeigt, dass anspruchsvolles Kino auch im vermeintlich provinziellen Mühlviertel auf hohe Akzeptanz trifft und konsequentes Streben nach Qualität vom Publikum belohnt wird. Abseits von nationalistischer Heimatideologie bietet das Festival einen einzigartigen Blick auf Geschichten von Identität, Kultur und sozialem Wandel und zeigt, wie facettenreich Heimat ist“, wird Wolfgang Steininger, Festivaldirektor und Obmann des Kulturvereins Local-Bühne, in einer Aussendung zitiert.

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