Faber am Abgrund im Linzer Posthof

Mit seiner Addio-Tour lotet Schweizer Liedermacher neue Tiefen aus

Der Schweizer Singer-Songwriter gastierte im Posthof. © Posthof/Justus Von Karger

Schummriges Licht auf der Openair-Bühne, während sich ein achtköpfiges Orchester im künstlichen Nebel zusammenfindet. Choraler Gesang der Schweizer Sängerin Melanie Danuser alias Mel B eröffnet das Konzert und nicht die prägnante, rauhe Stimme des Stars, auf den das bis auf den letzten Platz gefüllte Auditorium wartet.

Sie singt die Ouvertüre von „Addio“, dem vierten und jüngsten Release von Faber, und fesselt dabei stimmgewaltig das Publikum, noch ehe der Sänger selbst die Bühne überhaupt betreten hat. Dann wird das Licht heller und Julian Pollina alias Faber betritt schwarz gekleidet samt Gitarre das Geschehen, das Publikum tobt, noch hat er keinen einzigen Ton gesungen.

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Mit seinen 31 Jahren hat der Schweizer Singer-Songwriter mit süditalienischen Wurzeln bereits Kultstatus im Deutschsprachigen Raum erreicht. Seinen umstrittenen Bekanntheitsgrad hat er sich mit bewusst provokanten, sexistischen, degradierenden und kontrovers gesellschaftskritischen Texten erarbeitet, die er selbst als zynischen, humorvollen Spiegel bezeichnet, den er dem Publikum vorhalten wolle.

Wen das aufrege, der erkenne sich wohl selbst darin wieder, sagt Pollina, und  lässt seine Kunstfigur Faber, die sich auf der kapitalistischen Spielwiese des Patriarchats austobt, wieder los im Posthof auf die Zuhörer mit Tiefschlägen in die Magengrube. Eine Musik, die trotz ihrer Schwere und des Gewichts ihrer Worte zum Tanzen und Mitsingen anregt, und bei der sich Faber so tief in den Abgrund biegt, wie nie zuvor.

„Mach dir keine Sorgen / hab einen Strick für alle Fälle / Das Leben it ne Phase / Und der Rest ist die Hölle“ heißt es da im depressiv schwermütigen Opener „Du kriegst mich nicht zurück“, ein Song über die Eifersucht,  der nicht nur ein Trennungslied ist, sondern auch die Trennung von der eigenen Persönlichkeit thematisiert. Die neuen Lieder klingen allesamt nach Abschied, durchtränkt von Liebeskummer und Melancholie, einmal auf Deutsch gesungen, dann wieder auf Italienisch und auch mal in Form eines Gedichts etwa in „Addio“: “ Doch wenn ich hör, wie ihr leidet / Wenn ich hör wie ihr klagt / Reim sich all meine Namen /Auf „Ich habe versagt“.“

Lieder wie „Leon“, „Ayurveda“ und „Sie ist wieder in der Stadt“ kommen bei der Addio-Tour alles in allem aber mit weniger derben Worten und Grenzüberscheitungen aus als früher.

Faber zeigt sich ein bisschen leiser und  scheint in den letzten Jahren reifer geworden zu sein. Er flirtet etwa erfolgreich mit sizilianischem Liedgut wie „Odiarsi un po“ in der Tradition der großen italienischen Cantautori. Dem roten Faden zu folgen gelingt ihm allerdings nicht so recht, dafür springt Faber doch zu sehr zwischen den Genres hin und her, obwohl ihm gesanglich alle liegen.

Mal hat es was von Totenmesse, anschließend heißt es „Nie wieder Kokain“ und es klingt nach Zeltfest, zwischendurch etwas Tango, Reggae, dann wieder Polka-Rythmus und Gegröle. Für die richtige musikalische  Stimmung sorgt jedenfalls die grandiose und mitreißende Goran Koc y Vokalist Orkestar Band, allen voran Tillmann Ostendarp als Posaune spielender Teufels-Drummer, Goran Koc an den Keyboards und Mel B, Gesang und Gitarre.

Nach etlichen Zugaben gerät das Konzert insgesamt doch zu einem musikalisch wie emotional aufwühlenden, stimmigen Abend, der das begeisterte Publikum, das ein heftiges Auf und Ab durchgemacht hat, zufrieden nach Hause entlässt. Denn alle wissen, dass „Addio“ sicherlich nicht einen entgültigen Abschied bedeutet.

Von Barbara Duftschmid

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