Anna Buchegger hebt auf Debütalbum die Tradition ins Heute

Die Sängerin präsentiert „Windschatten“ am 26. Oktober im Konzerthaus © APA/GEORG HOCHMUTH

So hat man das Hackbrett wohl noch nie gehört: Die Salzburger Musikerin Anna Buchegger verbindet auf ihrem Debütalbum „Windschatten“ Tradition mit Moderne, wenn sie volksmusikalische Elemente in einen zeitgemäßen Popsound kleidet. Damit aber nicht genug, weiß die Sängerin in ihren Texten mit einem äußerst gesellschaftskritischen Zugang zu überzeugen. „Für mich ist Musik ein bisschen wie Politik machen“, erklärte Buchegger. „Es soll mitgestalten.“

Einem größeren Publikum wurde die Musikerin durch ihren Sieg beim ORF-Format „Starmania“ im Jahr 2021 bekannt. Mit ihrem Debüt hat sie sich trotzdem Zeit gelassen. „Ich habe damals sehr viel gelernt. Es war nötig, dass ich diese Castingshow mache, damit ich zu dem komme, was ich jetzt mache“, sagte Buchegger im APA-Gespräch. „Ich habe auch viel über das Showbusiness gelernt und dass gar nicht so viel Glamour dahintersteckt, wie man glaubt. Leider geht es oft nicht um die Person oder Künstlerin, sondern um eine gute Quote. Mir geht es aber nicht um die Quote, mir geht es um die Musik. Deswegen habe ich ein Album gemacht, das sehr gesellschaftskritisch und politisch ist.“

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Buchegger gelingt das gleich auf mehreren Ebenen. Einerseits hat sie gemeinsam mit Produzent David Raddish einen Klang gezimmert, der Folklore ebenso nutzt wie Clubsounds. Und andererseits taucht sie mit Stücken wie dem reduzierten „Vaterland“ tief in das österreichische Seelenleben ein. „Es sind alles Geschichten, die ich in meinem Umfeld erlebt habe. Es gibt städtische Elemente, aber hauptsächlich sind es provinzielle Lebensphilosophien“, so Buchegger, die seit einiger Zeit auch in Wien lebt. „Es hat so pressiert, dass ich unbedingt darüber schreiben musste.“

Im pulsierenden „Fisch“ behandelt sie etwa das Thema Pflege mit teils sehr schmerzhaften Worten. „Es gab in meinem direkten Umfeld einen Pflegefall, um den sich wieder mal nur Frauen gekümmert haben. Das bekommt sehr wenig Aufmerksamkeit, es gab kaum Unterstützung oder gar Mitgefühl“, so Buchegger. „Dieses Thema ist so gesellschaftsrelevant und wird immer wichtiger. Wir stehen vor einer Pensionswelle, die Boomer werden irgendwann Pflege in Anspruch nehmen. Und dann wird es noch ein größeres Problem für unser Gesundheitssystem werden.“

Aber auch patriarchale Strukturen stellt die Sängerin bloß, wenn sie in „Z’vü“ die Behandlung von Künstlerinnen im Kulturgeschäft aufs Tapet bringt. „Ich weiß, das Thema mag vielleicht schon ausgelutscht wirken, aber das Kind wird zu wenig beim Namen genannt“, nickte Buchegger. „Lackschuh“ erzählt hingegen von einer Frau, die sich von ihrem Partner abhängig gemacht hat. „Ihr Leben ist dadurch vorbestimmt, es ist eine ausweglose Situation.“ Stets bemühe sie sich in ihren Texten, „nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig zu sagen. Es soll genug interpretierbar sein. Außerdem ist es auf etwas ganz Kleines ummünzbar, auf eine individuelle Geschichte, aber auch auf ein großes gesellschaftliches Problem.“ Vor diesem Hintergrund hoffe sie auch eine Brücke zwischen städtischen und ländlichen Lebensrealitäten bauen zu können.

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Ein Weg dafür sei letztlich die Sprache, singt Buchegger doch im Dialekt. „Ich habe lange überlegt, welche Sprache es werden soll. Vor allem an Bildungsinstituten in den Städten ist mein Dialekt oft mit Kleinbürgertum in Verbindung gebracht worden. Ich war nie die Expertin, die ich sein hätte können. Aber ich bin der Überzeugung, dass man auch Expertin sein kann, wenn man Dialekt spricht. Das soll wieder mehr wertgeschätzt werden, und vom Gefühl her sind wir bereits auf dem Weg dahin. Und davon abgesehen: Dieses Album, diese Thematik, das Konzept Heimat – es wäre ja gelacht gewesen, hätte ich das in einer anderen Sprache umgesetzt.“

Was die Klänge betrifft, habe sie mit Raddish viel experimentiert. „Ich habe ihn sehr angesteckt mit meiner Begeisterung für Folkloreelemente aus dem volksmusikalischen Kontext“, erinnerte sich Buchegger. „Aber natürlich hat er seine Expertise eingebracht und man hört in den Produktionen auch, dass er Drummer ist. Das hat mir extrem viel gebracht, weil ich schon sehr melodiebezogen agiere.“ Nun seien aber etliche Stücke von einem Beat ausgehend erdacht und konzipiert worden. „Ich hatte so viel mehr Experimentierfreude, was Rhythmik und Sprache anbelangt. Er hat dazu beigetragen. Es war einfach ein Geben und Nehmen.“

Wie weit man dabei gehen kann, beweist etwa der noisige Schluss von „Scheslem“ oder das in Breakbeats eingebettete Gitarrensolo von „Z’vü“. „Es ist ein guilty pleasure von mir, gefährliche Sounds zu machen“, lachte Buchegger. Da könne auch Punk mal Pate stehen für einige Ideen. „Es ist ja spannend, dass Punk und das Losschreien eigentlich sehr viel gemein haben mit Jodeln. Beides ist sehr archaisch und geht in Richtung ultimativer Freiheit.“ Ein anderer Einfluss waren wiederum afrikanische Chöre, „vielleicht gibt es deswegen auch diesen Worldmusic-Einschlag“.

Sie hoffe jedenfalls, dass die Leute ihrer Musik Aufmerksamkeit schenken und sie nicht nur beiläufig hören oder gar missverstehen. „Ich habe diese Leidenschaft für Folklore, für Volksmusik und Tradition. Ich will das aber mitgestalten – und das beinhaltet immer eine kritische Auseinandersetzung.“ Auf diese Weise könne man „die Volksmusiksounds vielleicht aus einer radikalen Ecke, aus dem rechten Flügel rausholen und zu etwas machen, das uns allen gehört – vor allem jungen Frauen, emanzipierten Personen und Leuten, die liberaler und sozialdemokratischer denken. Volksmusik stinkt einfach extrem braun. Sie da rauszubringen, ist scheißschwierig. Aber man muss es probieren, das werde ich sicher weiter machen. Ich lasse nicht locker!“

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

Livepräsentation am 26. Oktober im Wiener Konzerthaus, annabuchegger.com