NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat am Freitag ihre „Betroffenheit“ über die aktuelle Budgetprognose zum Ausdruck gebracht. „Ja, es ist tatsächlich Feuer am Dach“, sagte sie bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Wien. Die Regierung habe bei dem Thema „wider besseren Wissens gelogen“. Am Donnerstag hatte das Finanzministerium seine Defizitprognose für das Budget des Jahres 2024 auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Auch FPÖ und SPÖ übten Kritik.
Freitagvormittag hatten zudem die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS ihre Prognosen veröffentlicht. Sie erwarten für 2024 ein Budgetsaldo von -3,7 bzw. -3,5 Prozent. Damit liegt das Defizit über den EU-Schuldenregeln (Maastricht-Kriterien) von 3 Prozent. Für die NEOS waren die Zahlen „erwartbar“. Vielleicht doch überraschend sei, dass „just vier Tage nach der Wahl“ das Bekenntnis zu einem höheren Defizit als angenommen komme. Meinl-Reisinger ortete eine „bewusste Täuschung der Österreicherinnen und Österreicher“.
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Die pinke Parteichefin sah den Moment gekommen, auf ihre wirtschaftspolitischen Forderungen hinzuweisen. „NEOS hat als einzige Partei darauf gepocht, dass wir eine Reformagenda brauchen“, sagte Meinl-Reisinger. Die bisherige Ausgabenpolitik sei „zukunftsvergessen“ gewesen. Die Lösungsvorschläge seien nicht neu, verwies sie auf das Wahlprogramm ihrer Partei. Die NEOS fordern einen sparsameren Staat, wollen Reformen bei Pensionen, Bildungssystem und Bürokratie.
Sie sage das aus einer „starken Position“, so Meinl-Reisinger und erinnerte an die pinken Zugewinne bei der Nationalratswahl am Sonntag: „Wir sind gewählt worden für Reformen.“ Mit ihrer „Reformagenda“ wollen die NEOS nun in Sondierungsgespräche für eine mögliche Regierungsbeteiligung gehen. Es brauche aber eine „Gesamtanstrengung der Republik“, betonte die Parteichefin, die auch die Bundesländer in der Verantwortung sieht. Man könne nicht auf die Ergebnisse der kommenden Landtagswahlen warten.
Der schwarz-grünen Koalition stellte Meinl-Reisinger ein schlechtes Zeugnis aus. Mit den Menschen sei die Regierung „nicht ehrlich“ gewesen. „Deutlich und zwar sehr deutlich“ habe man die Maastricht-Kriterien überschritten. Wirtschaftswachstum sei nicht absehbar.
Heftige Regierungskritik übte am Freitag auch FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. „Hinter mir die Sintflut – Schwarz-Grün hat die Österreicher noch mehr geschädigt als bisher angenommen“, hieß es in einer Aussendung. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung zeige, „dass sich ÖVP und Grüne nur möglichst gut über die Wahl retten wollten“. Schnedlitz forderte in dem Zusammenhang eine Verlängerung der Strompreisbremse.
„Die Budgetsituation ist so dramatisch, wie es alle seit Monaten wissen und wir immer gesagt haben“, sagte SPÖ-Klubobmann Philip Kucher. Die schrumpfende Wirtschaftsleistung sei keine Überraschung: „Österreich braucht ein Programm für Aufschwung, Wachstum und Beschäftigung.“
Im Finanzministerium wurde unterdessen in einer Stellungnahme betont, dass Prognosen in einer von Unsicherheiten geprägten Zeit schwierig seien. Die neue Prognose sei insbesondere zurückzuführen auf die nach den Krisenjahren schwache wirtschaftliche Lage in Österreich und Europa und damit verminderte Steuereinnahmen, die aktuell noch schwer abschätzbaren Effekte der Hochwasserkatastrophe und Maßnahmen wie die Erhöhung des Klimabonus. Die neuen Entwicklungen – ein niedriges BIP als in der März-Prognose erwartet, geringere Steuereinnahmen, neue Ausgaben für z.B. Hochwasser – seien bei den bisherigen Prognosen nicht absehbar gewesen. Revisionen seien zudem „etwas Normales“, hieß es aus dem Ministerium mit Verweis etwa auf die vom Wifo nun zum zweiten Mal revidierte Defizitprognose für 2024.