Erdogan buhlt mit Judenhass um Sympathie in der islamischen Welt

Türken-Präsident nennt Israel „Mörderbande“ und verurteilt Zurückhaltung islamischer Länder im Gaza-Konflikt

Hassprediger: Der türkische Präsident Erdogan versucht sich als islamischer Führer aufzuspielen, indem er den Hass gegen Israel schürt, Netanyahu mit Hitler vergleicht und vor einem israelischen Angriff auf die Türkei warnt.
Hassprediger: Der türkische Präsident Erdogan versucht sich als islamischer Führer aufzuspielen, indem er den Hass gegen Israel schürt, Netanyahu mit Hitler vergleicht und vor einem israelischen Angriff auf die Türkei warnt. © AFP/Altan

Man muss dankbar sein. Als der finnische Präsident Alexander Stubb vorigen Dienstag seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan in Ankara einen Besuch abstattete, hatte der Gastgeber gerade im Parlament einen antisemitischen Wuntanfall hinter sich.

Das tat der Freundlichkeit des Gastes freilich keinen Abbruch. Schließlich verdankt Finnland seine Nato-Mitgliedschaft dem Erdogan mühsam abgerungenen Verzicht auf ein Veto gegen die Russlands Aggressionspotenzial fürchtenden Nordländer.

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Es war der Tag, an dem Israels Bodenoffensive gegen die islamistische Terrororganisation Hisbollah im Libanon startete und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) „unsere Solidarität und Partnerschaft mit Israel“ für „unerschütterlich“ erklärte, als in Ankara das türkische Parlament zu einer Sondersitzung zusammentrat.

Freundlichkeiten trotz Judenhass: Unmittelbar nach Erdogans Hetzrede gegen Israel machte der finnische Präsident Stubb seinem Amtskollegen in Ankara die Aufwartung. ©AFP
Freundlichkeiten trotz Judenhass: Unmittelbar nach Erdogans Hetzrede gegen Israel machte der finnische Präsident Stubb seinem Amtskollegen in Ankara die Aufwartung. ©AFP

Nach ausführlicher innen- und wirtschaftspolitischer Selbstbeweihräucherung holte der Staatspräsident zum außenpolitischen Rundumschlag aus, der in erster Linie Israel und dessen Regierungschef Benjamin Netanyahu, aber auch allen galt, die im Gaza-Konflikt entweder — wie Österreich — an der Seite Israels stehen oder — wie etwa die Vereinigten Arabischen Emirate — nicht laut gegen die israelischen Militäroperationen protestieren.

„Möchtegern-Hitler“

Netanyahu nannte Erdogan einen „Möchtegern-Hitler“, der „genauso gestoppt werden wird“ wie der NS-Diktator. An die Adresse derer, „die sagen: ‚Die Hamas ist eine Terrororganisation‘ und die versuchen, die seit 360 Tagen andauernde Barbarei mit dem Vorfall vom 7. Oktober (Hamas-Terrorüberfall auf Israel, Anm.) zu legitimieren“, sagte Erdogan: „Wir haben es nicht mit einem Rechtsstaat zu tun, sondern mit einer Horde von Mördern die sich von Blut ernähren.“ Israels Regierung sei ein „rassistischen Apartheidregime“.

Hamas-Terror als „heldenhaft“ gewürdigt

Zugleich würdigte der Präsident indirekt den Hamas-Terror: „Heute möchte ich erneut meine Hochachtung vor den tapferen Söhnen Palästinas aussprechen, die sich trotz der modernsten Tötungsmaschinen der Besatzungstruppen heldenhaft verteidigt haben.“ Scharfe Kritik übte der islamistische Staatschef dagegen an weniger radikalen Kollegen: „Das Schweigen der islamischen Welt, insbesondere der Herrscher, deren Volk Muslime sind, zum israelischen Terror gegen Muslime wird jahrhundertelang eine Schande bleiben.“

Warnung vor Angriff Israels auf die Türkei

Diese Aussage ist ein Hinweis darauf, dass Erdogan mit seinen Ausfälligkeiten gegen Israel nicht nur das türkische Publikum adressiert. Es unterstreicht seine neoosmanischen Ambitionen auf einen türkischen Führungsanspruch der islamischen Welt.

Damit das Feindbild Israel sich in den Köpfen immer tiefer verankert, schreckt Erdogan auch nicht vor den absurdesten Behauptungen zurück. So warnt er allen Ernstes vor einem israelischen Angriff auf die Türkei: „Auch wenn einige es beharrlich nicht sehen wollen, träumt die Netanjahu-Regierung einen Traum, der Anatolien einschließt.“ Und weiter: „Während wir die Angriffe in Palästina und im Libanon sehr genau beobachten, sehen wir auch sehr deutlich, wie sie Satellitenstrukturen im Norden des Irak und in Syrien aufbauen wollen und dabei dortige Separatistenorganisation als Instrument nutzen“, so Erdogan. Nachsatz: „Die bezahlte Zionismus-Propaganda in der Türkei versteht das nicht.“

Negativer Einfluss auf türkische Diaspora

All diese Aussagen sind nachzulesen auf den offiziellen Informationsseiten der türkischen Regierung und wurden von den einheimischen Medien auch ausführlich unters Volk gebracht. In Westeuropa war das Medienecho auf Erdogans Hasstirade dagegen gleich Null, geschweige denn gab es politische Reaktionen darauf.

Wenn ausländische Medien dem türkischen Präsidenten nicht als Verstärker zur Verfügung stehen, bedeutet das jedoch keineswegs, dass seine Worte insbesondere in den Ländern mit starker türkischer Community folgenlos bleiben. Denn die türkische Diaspora informiert sich hauptsächlich über Medien des Herkunftslandes, weniger über Zeitungen, Rundfunksender oder soziale Medien der neuen Heimat. Insbesondere Österreich und Deutschland mit ihrem hohen türkischen Bevölkerungsanteil kann es daher nicht egal sein, wenn Erdogan den ohnehin vorhandenen Antisemitismus weiter anheizt und quasi amtlich absegnet.

Türkische Kulturgemeinde: Israel kein Feind der Türkei!

Andererseits fallen auch einflussreiche exiltürkische Organisationen wie Milli Görüs oder Atib hierzulande dem Präsidenten nicht ins radikalisierende Wort.

TKG-Vorsitzender Birol KIlic: Israel und die Türkei sind keine Feinde!
TKG-Vorsitzender Birol KIlic: Israel und die Türkei sind keine Feinde! ©Neue Welt Verlag

Mit einer Ausnahme: Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) distanziert sich von Erdogans Äußerungen: TKG-Vorsitzender Birol Kilic hält sie „für sehr unglücklich gewählte Sätze, die nur ein Ziel haben: die Strategie der Schock-Doktrin, mit der er die Bürger in der Türkei für sich gewinnen will“. Kilic: „Aber die Mehrheit des türkischen Volkes kauft ihm das nicht mehr ab.“ Der TKG-Chef, der schon vor einem Jahr unmittelbar nach dem Hamas-Angriff auf Israel den Terror scharf verurteilt hatte, wünscht sich eine Rückbesinnung auf die Gründungsdoktrin der Republik Türkei von Staatsgründer Atatürk: „Frieden im Inneren, Frieden in der Welt“. Denn Israel und die Türkei seien keine Feinde, so Kilic zim VOLKSBLATT, „sie müssen auch keine dicken Freunde sein, aber sie müssen ein Verhältnis haben, das der Region Frieden bringt“.

Von Manfred Maurer