Bei israelischen Angriffen auf den Ort Jabalia im Norden des Gazastreifens sind palästinensischen Angaben zufolge Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 47 Palästinenser wurden seit der Früh getötet, hieß es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen. Im gesamten Gebiet seien rund 60 Tote zu beklagen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee äußerte sich bisher nur zu einem einzelnen Angriff.
Die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA meldete dabei 15 Tote. Der Angriff soll dem Bericht zufolge auf den Hof eines Krankenhauses gezielt haben. Getroffen worden seien dort auch Zelte von Vertriebenen. Die Angaben ließen sich ebenfalls nicht unabhängig überprüfen. Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, sie habe Hamas-Mitglieder in einem Kommando- und Kontrollzentrum angegriffen.
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Die Zentrale der Islamistenorganisation habe sich in einem Gebiet in Jabalia befunden, das früher als medizinische Einrichtung gedient habe, hieß es von der israelischen Armee weiter. Die Hamas-Mitglieder hätten dort unter anderem Anschläge gegen den Staat Israel geplant. Laut dem israelischen Militär wurden vor dem Angriff mit Präzisionsmunition zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um das Risiko zu verringern, dass Zivilisten zu Schaden kommen. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Unter den Toten soll auch ein palästinensischer Journalist sein. Laut dem von der Hamas kontrollierten palästinensischen Zivilschutz können Helfer derzeit nicht alle Opfer erreichen.
Die israelische Armee erklärte ihrerseits jedoch, im Gazastreifen binnen 24 Stunden „Dutzende von Terroristen in Nahkämpfen und bei Luftangriffen“ getötet und „etwa 45 Terrorziele der Hamas getroffen zu haben“. Darunter seien „Terrorzellen“, militärische Einrichtungen, Abschussvorrichtungen und Waffenlager.
Israels Armee kämpfe den fünften Tag in Folge in der Gegend, hieß es aus Sicherheitskreisen sowie medizinischen Kreisen im Gazastreifen. „Kein Ende der Hölle“, schrieb der Generalkommissar des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, auf X über die Lage im Norden des Küstengebiets. „Mindestens 400.000 Menschen sind in dem Gebiet eingeschlossen.“ Der derzeitige Einsatz gefährde auch die Impfkampagne gegen das Poliovirus, warnte Lazzarini.
Israels Armee hatte vor einigen Tagen einen Vorstoß mit Bodentruppen in den Norden des Gazastreifens begonnen. Die Hamas habe versucht, sich im Gebiet von Jabalia neu zu gruppieren, so das Militär. Laut medizinischen Kreisen im Gazastreifen sollen im gesamten Gebiet seit der Früh rund 60 Menschen bei Kämpfen und Angriffen ums Leben gekommen sein.
Im Libanon verschlimmert sich die humanitäre Krise im Libanon durch die Angriffe Israels nach Einschätzung der Vereinten Nationen auf dramatische Weise – „mit alarmierendem Tempo“, teilte das UNO-Nothilfebüro (OCHA) am Mittwoch mit. Am vorigen Sonntag habe es an einem einzigen Tag mehr als 30 Luftangriffe in den südlichen Vororten der Hauptstadt Beirut und Umgebung gegeben, so das OCHA. „Die erbarmungslosen Bombardierungen verstärken das Leid verwundbarer Bevölkerungsgruppen“, hieß es.
Der Libanon kann mit den rund 600.000 Menschen, die durch Angriffe im Land seit einem Jahr vertrieben wurden, demnach kaum umgehen. Etwa 80 Prozent der nahezu 1.000 Notunterkünfte sind voll. Drei Viertel davon sind Schulen, die in Notunterkünfte verwandelt wurden. Der Beginn des Schuljahres wurde deswegen bereits bis Anfang November verschoben. Unter den Vertriebenen sind dem UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) zufolge rund 350.000 Kinder.
„Heute starten wir eine humanitäre Luftbrücke mit drei Flügen, die mit Hilfsgütern beladen sind“, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Onlinedienst X mit. „Die EU steht an der Seite der von der Krise im Libanon betroffenen Menschen“, betonte von der Leyen.
Die Flugzeuge sollen nach Angaben der Kommission unter anderem Decken, Materialien für Notunterkünfte wie Zelte, Medikamente, Hygieneartikel, Decken und medizinische Ausrüstung in den Libanon liefern. Sie sollen von Brindisi im Süden Italiens bzw. von Dubai aus abfliegen, die erste Lieferung wird demnach am Freitag in der libanesischen Hauptstadt Beirut erwartet.
Die Lieferungen ergänzen Hilfen, die bereits aus mehreren EU-Mitgliedstaaten wie Spanien, der Slowakei, Polen, Frankreich und Belgien Hilfen losgeschickt wurden. Die Kommission übernimmt dabei die Transportkosten und koordiniert die Hilfsmaßnahmen. Bereits vor der neuen Zusage hatte die EU in diesem Jahr rund 104 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für den Libanon bereitgestellt.
Die israelische Armee fliegt seit dem 23. September massive Luftangriffe gegen Ziele der vom Erzfeind Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon und kündigte vor rund einer Woche zudem den Einsatz von Bodentruppen an. Nach Einschätzung des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) wurden infolge der Angriffe mindestens 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die Hisbollah hatte einen Tag nach dem Hamas-Großangriff vom 7. Oktober 2023 mit Luftangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet.
Nach wochenlanger Pause tauschten sich unterdessen US-Präsident Joe Biden und Israels Premier Benjamin Netanyahu erstmals wieder über die Lage in Nahost aus. Die EU-Kommission kündigte eine Luftbrücke für den Libanon zwecks Lieferung von Hilfsgütern an.
Wie das Weiße Haus am Mittwoch in Washington mitteilte, führten Biden und Netanyahu ein Telefonat, an dem auch Vizepräsidentin und US-Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris teilnahm. Zwischen Biden und Netanyahu hatte es seit sieben Wochen kein direktes Gespräch gegeben. In der Zwischenzeit startete Israel seine militärische Offensive gegen die proiranische Schiitenmiliz Hisbollah im Südlibanon und tötete deren Anführer Hassan Nasrallah. Der Iran beantwortete dies mit einem massiven Raketenangriff auf Israel.
Bei dem Telefonat zwischen Biden und Netanyahu sollte es dem Vernehmen nach um die mögliche Antwort Israels auf den iranischen Raketenangriff gehen. Biden hatte sich gegen Angriffe auf iranische Atom- oder Ölanlagen gewandt. Über das Telefonat am Mittwoch sollte zu einem späteren Zeitpunkt weiter informiert werden.