Kärntner EXW-Großprozess geht ins Finale

Das Geld der Anlager wurde in verschiedene Kryptowährungen getauscht © APA/dpa-Zentralbild/Fernando Gutierrez-Juarez

Der Kärntner EXW-Großprozess um millionenschweren Anlagebetrug mit einer vermeintlichen Kryptowährung geht ins Finale. Am Donnerstag fanden nach mehr als einem Jahr mit 59 Verhandlungstagen und 300 Prozessstunden die Plädoyers statt, in deren Rahmen die Staatsanwältin die Schadenssumme auf 20 Mio. Euro erweiterte. Am 23. Oktober soll das Urteil verkündet werden.

Staatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg betonte die Größenordnung des Verfahrens: Bereits ab 200 Aktenbestandteilen spreche man von einem Großverfahren – die EXW-Akte enthält derer knapp 3.000. In der Anklage ist von 40.000 Opfern die Rede, welche die elf nun Angeklagten um ihre Investments gebracht haben sollen. In ihrem mehr als einstündigen Plädoyer erklärte die Staatsanwältin, die „Kronzeugin“ – die ehemalige Lebensgefährtin des Hauptangeklagten – gehe sogar von einem Schaden von bis zu 100 Mio. Euro aus.

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Czedik-Eysenberg sprach von besonders schwierigen Ermittlungen, was den Angeklagten selbst zuzuschreiben war: Etwa durch die Verlegung der Firma nach Dubai, das kein Rechtshilfeabkommen mit Österreich hat, die Kommunikation über Telegram, das nicht mit Behörden kooperiert, oder den Geldwechsel an Kryptobörsen, auf die die Behörden ebenfalls keinen Zugriff hätten. „Hier wurde bewusst versucht, Lücken in die Ermittlungen zu bringen.“ Investoren, die auf Auszahlungen drängten, seien beschwichtigt, hingehalten und bedroht worden – so sei ihnen eröffnet worden, kein Geld ausgezahlt zu bekommen, wenn sie Anzeige erstatteten.

Der Betrug sei von Anfang an geplant gewesen. Vereinzelte kleine Auszahlungen an Investoren erfolgten „selbstredend aus Neueinzahlungen“, denn: „Es gab bis zuletzt kein gewinnbringendes Konzept.“ Dazu zitierte sie die Aussagen der Angeklagten. Laut ihnen hätte mit Immobilienprojekten oder Patenten Geld erwirtschaftet werden sollen, die der EXW aber gar nicht gehört hätten. Zum Hauptprodukt, der Währung EXW-Token, in den die Anleger ihr Geld wechselten, präsentierte die Staatsanwältin gleich vier verschiedene und teils völlig widersprüchliche Erklärungen von EXW, was dieser EXW-Token denn überhaupt war.

Projekte, wie ein Autoprogramm, eine Bildungsinitiative oder eine Bezahlkarte erblickten entweder nie das Licht der Welt oder brachten Verluste ein. Oder, wie es Czedik-Eysenberg formulierte: „Es gab nie gewinnträchtige Projekte, und das war auch gar nicht vorgesehen. Diese waren nur da, um Kunden anzulocken.“

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Die meisten EXW-Gesellschaften seien Scheinfirmen gewesen, teilweise wurden Obdachlose und Kleinkriminelle als Geschäftsführer eingesetzt. Außerdem habe es keine Lizenzen für den Handel mit Kryptowährungen gegeben. Es folgten Warnungen der Finanzmarktaufsicht vor EXW, auf die die Angeklagten wiederum beschwichtigend reagierten: Es handle sich dabei um Fehler oder eine Sekretärin habe vergessen, Unterlagen rechtzeitig abzuschicken.

Die Staatsanwältin ging auch detailliert auf die einzelnen Angeklagten ein – unter anderem war auch vom luxuriösen Lebensstil von einigen von ihnen die Rede, von Häusern in Dubai und Thailand, Luxusautos, Schuhkartons voller Bargeld und Flügen im Privatjet. Besonders dem Hauptangeklagten und seinem Verhalten während der Verhandlung galt ihre Aufmerksamkeit: „Seine Aussagen waren mehrmals widersprüchlich, dazu will ich aber nichts sagen, wir wollen ja heute noch fertig werden.“

Der Angesprochene verfolgte diese Ausführungen höchst nervös – er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, lachte teilweise laut auf oder zischte Bemerkungen vor sich hin. Er hatte sich im Prozessverlauf mehrmals teilweise oder vollinhaltlich schuldig bekannt, sein Geständnis aber dann teilweise bereits Minuten später wieder zerredet.

Sein Mandant werde sich teilweise schuldig bekennen, erklärte dessen Verteidiger Philipp Tschernitz. Er bestritt vor allem einen zentralen Punkt der Anklage: Dass ein Betrug von Anfang an geplant gewesen sei. Der Hauptangeklagte habe viel Arbeit investiert und geplant, „mit verschiedenen Assets Gewinne zu lukrieren“. Damals sei er gerade 21 Jahre alt gewesen: „Er hat da natürlich nicht über die Lebenserfahrung verfügt, um das zu überblicken.“

In einem ersten Schritt habe er bereits Geld organisiert, um Strukturen aufzubauen und damit Lizenzen erworben werden: „Das tut man nicht, wenn man einen Betrug plant.“ Entwicklungsprognosen hätten eine massive Wertsteigerung am Kryptomarkt versprochen: „Dass das nicht eingetreten ist, war, weil es sich tatsächlich um ein Hochrisikoinvestment gehandelt hat.“

Zu klären gelte es aber nun die Frage: „Ab wann hätte mein Mandant erkennen müssen, dass EXW so große Probleme hat, dass ein Stopp erfolgen hätte müssen?“ Zwei weitere Angeklagte hätten ihn auskaufen und die Firma an sich reißen wollen, dass die von ihnen präsentierten Projekte „Lug und Trug“ waren, sei für den Hauptangeklagten nicht erkennbar gewesen. Abschließend erklärte Tschernitz: „EXW ist zu schnell gewachsen, ist ihm über den Kopf gewachsen. Aber mit Sicherheit ist mein Mandant nicht der Mensch, der plant etwas zu machen, das damit endet, dass er im Gefängnis sitzt.“

Die weiteren Verteidiger betonten die untergeordneten Rollen ihrer Mandanten. Sie arbeiteten sich auch an der „Kronzeugin“, der ehemaligen Lebensgefährtin des Hauptangeklagten, ab. Ihre Angaben seien unglaubwürdig, und hätte sie selber von Anfang an so viele Einblicke in EXW gehabt, dann müsste sie selber auf der Anklagebank sitzen. Teilweise wurden auch Freisprüche gefordert.

Die Plädoyers der Verteidiger werden am (morgigen) Freitag fortgesetzt. Das Urteil soll dann in zwei Wochen fallen.