Das italienische Marineschiff Libra ist auf dem Weg nach Albanien, um die erste Gruppe von Migranten zu den in Albanien neu eingerichteten Flüchtlingszentren zu bringen, wo sie ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen sollen. Wie italienische Medien am Montag unter Berufung auf das italienische Innenministerium berichteten, wurden die im Mittelmeer geretteten Migranten an Bord einer ersten Überprüfung unterzogen, um sicherzustellen, dass sie die Anforderungen erfüllen.
Erwartet wird, dass das Marineschiff am Mittwochvormittag in Albanien eintreffen wird. An Bord befinden sich hauptsächlich Migranten aus Bangladesch und Ägypten, die am Sonntagabend in internationalen Gewässern aufgegriffen wurden und dann an Bord der „Libra“ gingen.
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Die beiden von Italien errichteten Flüchtlingszentren in Albanien waren in der Vorwoche in Betrieb genommen worden. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni reagierte indes auf eine Stellungnahme der deutschen NGO „Sea Watch“, derzufolge ihre Regierung Millionen für die Errichtung von Migrantenzentren in Albanien verschwende. „Was für ein Skandal ist eine Regierung, die sich – mit einem klaren Mandat der Bürger – dafür einsetzt, Italiens Grenzen zu schützen und den Menschenhandel durch konkrete Maßnahmen und internationale Abkommen zu stoppen!“, ironisierte Meloni in den sozialen Netzwerken.
„Sea Watch“ hatte der Ministerpräsidentin davor vorgeworfen, „hunderte Millionen Euro an Steuergeldern auszugeben, um ein paar tausend Migranten nach Albanien abzuschieben und dort zu inhaftieren“. „Vielleicht sollten die Steuergelder der Italiener besser für die Aufnahme und Integration statt für die Abschiebung ausgegeben werden“, hieß es in einer Stellungnahme der in der Rettung im Mittelmeer aktiven NGO.
Zu den zwei Migrantenzentren in Albanien äußerte sich auch der albanische Premierminister Edi Rama. „Die italienische Regierung hat uns nie belogen und vergisst keine einzige der vielen Verpflichtungen, die sie uns gegenüber eingegangen ist. Der Bau und die Verwaltung der Migrantenzentren ist etwas, das absolut nichts mit der albanischen Regierung zu tun hat. Es geht uns nicht an“, erklärte Rama laut italienischen Medien. Die Verwaltung der Migrantenzentren in Albanien liege ganz in italienischer Verantwortung.
In Shëngjin wurde das erste Aufnahmezentrum eingerichtet. Hier werden die Migranten, sobald sie das Schiff verlassen haben, gesundheitlich untersucht, identifiziert und mit Essen versorgt. Von Shëngjin aus werden die Migranten dann im Laufe des Tages in das einige Dutzend Kilometer entfernte Auffanglager Gjadër gebracht.
Das Lager in Gjadër ist in drei Bereiche unterteilt: Im größten Bereich werden Asylbewerber untergebracht, die auf eine Antwort warten. Der zweite ist ein Abschiebungszentrum. Hier werden diejenigen untergebracht, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Der dritte Bereich ist ein Gefängnis, wo diejenigen, die im Lager Straftaten begehen, eingesperrt werden sollen.
Die ursprünglich im Mai geplante Eröffnung der beiden Zentren war aufgrund der Beschaffenheit des Geländes, der während der Arbeiten aufgetretenen Probleme und der ungünstigen Witterungsverhältnisse im August wiederholt verschoben worden. Die Zentren wurden von Menschenrechtsgruppen als Auslagerung der Asylverfahren und – in Anspielung auf das berüchtigte US-Gefangenenlager auf Kuba – als Schaffung eines „neuen Guantanamo“ kritisiert. Mehrere andere europäische Länder erklärten dagegen, sie würden das Modell gerne übernehmen. Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach diesbezüglich von einem Vorbild.
Wie viele Migranten tatsächlich nach Albanien gebracht werden sollen, steht noch offen. 52.425 Personen sind seit Anfang 2024 nach Seefahrten über das Mittelmeer in Italien eingetroffen, darunter 6.123 Minderjährige, teilte das italienische Innenministerium am Montag mit. Im Vergleichszeitraum 2023 waren 138.947 Menschen eingetroffen. Auch gegenüber 2022 verringerte sich die Zahl der Ankünfte. Im Vergleichszeitraum 2022 waren 74.316 Migranten eingetroffen. Die meisten Asylbewerber, die 2024 in Italien eintrafen, stammten aus Bangladesch, Syrien, Tunesien und Ägypten.