Deutschland: Steinmeier stimmt Zeitplan zu

Kanzler Scholz stellt Mitte Dezember Vertrauensfrage © APA/dpa/Kay Nietfeld

Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Dienstag dem Zeitplan zugestimmt, den ihm die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und Union am Dienstag unterbreitet haben. Er begrüße, dass sich die Fraktionen auf einen Fahrplan hin zu einer Abstimmung über die Vertrauensfrage im Bundestag am 16. Dezember verständigt haben, teilte eine Sprecherin am Dienstag mit. „Nach heutiger Bewertung hält er den 23. Februar 2025 als Termin für Neuwahlen für realistisch.“

An dem Gespräch nahmen Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und die Grünen-Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge teil.

Lesen Sie auch

Dem Bundespräsidenten fällt laut Grundgesetz die Rolle zu, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Steinmeier begrüße, „dass sich die Fraktionen über einen Fahrplan hin zu einer Abstimmung über die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag am 16. Dezember verständigt haben“, erklärte seine Sprecherin. Er habe „deutlich gemacht, dass er für den Fall, dass der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen entzieht, rasch über eine Auflösung entscheiden wird“.

Steinmeier werde vor der Auflösung des Bundestags Gespräche mit den Vorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien führen, kündigte die Sprecherin an. „Transparenz und Integrität des Wahlprozesses sind eine entscheidende Voraussetzung für das Vertrauen in die Demokratie“, erklärte sie.

Der Bundespräsident habe in dem Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Grünen zudem dafür geworben, „dass alle Fraktionen der Mitte verantwortungsvoll und gemeinschaftlich darüber beraten, welche Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können“, hieß es in der Erklärung weiter. Ziel müsse sein, „die innere und äußere Sicherheit sowie die internationale Verlässlichkeit Deutschlands in dieser Übergangsphase zu gewährleisten“.

Die Fraktionsspitzen von SPD und Union haben bekanntgegeben, dass Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz sich am 16. Dezember der Vertrauensabstimmung im Deutschen Bundestag stellt. Mit diesem Schritt wäre der Weg frei für eine vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar, sagten SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz am Dienstag in Berlin. Beide wollten sich Dienstagabend mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen.

Dieser muss formell seine Zustimmung geben. Auch FDP und Grüne tragen diesen Termin mit. Mit der Festlegung ist der Streit beendet, wie es in Deutschland nach dem Bruch der Ampel-Koalition weitergehen soll. Scholz hatte nach der Entlassung von FDP-Finanzminister Christian Lindner zunächst eine Vertrauensabstimmung Mitte Jänner und dann Neuwahlen bis spätestens Ende März vorgeschlagen. Damit der Deutsche Bundestag am 16. Dezember abstimmen kann, soll Scholz nun die Vertrauensabstimmung am 11. Dezember schriftlich ankündigen.

Derzeit leitet der SPD-Politiker eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen. Nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung bliebe Scholz bis zur Bildung einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt. Es wird erwartet, dass der deutsche Bundespräsident keine Einwände gegen den 23. Februar einlegt. Steinmeier hatte in den vergangenen Tagen mit allen Beteiligten Gespräche geführt und einen geordneten Übergang eingefordert.

Am Mittwoch will Scholz eine Regierungserklärung abgeben. Darauf wollen sowohl Merz als auch der CSU-Chef, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, antworten. Der Auftritt Söders soll nach Angaben von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt „maximale Geschlossenheit“ der Union zeigen, die derzeit im Umfragen mit über 30 Prozent weit vor anderen Parteien liegt.

Nach Einschätzung von Lindner wird die Wahl „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ einen Wechsel im Kanzleramt bringen. CDU-Chef Merz werde der nächste Kanzler, sagte der FDP-Chef in Berlin. In den vergangenen Tagen hatten sich FDP- und Grünen-Politiker bereits Richtung Union orientiert. Sowohl Lindner als auch Außenministerin Annalena Baerbock sagten, dass sie in einer unionsgeführten Regierung Ministerämter bekleiden wollen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach sich angesichts parteiinterner Debatten über die Kanzlerkandidatur wie schon SPD-Generalsekretär Matthias Miersch klar für Scholz als Kanzlerkandidaten aus. „Jetzt geht es um Erfahrung und Kompetenz und da bin ich sicher, ist Olaf Scholz der richtige Kandidat“, sagte er in Anspielung auf die fehlende Regierungserfahrung von Unions-Kanzlerkandidat Merz.

Mit der Einigung über die Termine ist nun aus Sicht der SPD und der Grünen der Weg für Verhandlungen über laufende Gesetzgebungsverfahren frei. Allerdings bremst die Union. Fraktionschef Merz betonte, dass es nur ganz wenige Entscheidungen gebe, die noch schnell entschieden werden müsste. Dazu gehöre die Rücküberweisung der Vorlage für den Nachtragshaushalt 2024 in den Haushaltsausschuss. Ansonsten gebe es in der Woche nach dem 16. Dezember noch die Möglichkeit für Beschlüsse. „Warum sollen wir jetzt der Ampel, der Rest-Ampel, zu einer Mehrheit verhelfen?“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im ZDF. Auch den Ausgleich der kalten Progression in der Einkommensteuer oder die Erhöhung des Kindergeldes könne man später rückwirkend entscheiden.

Linnemann und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, zeigten sich allerdings für bestimmte Vorhaben offen. Das gelte etwa für die Verlängerung von Auslandsmandaten der Bundeswehr. Es gebe auch keinen Dissens, die Rechte des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. „Aber alles andere muss die neue Regierung machen“, sagte Linnemann. In der Union gibt es aber darüber hinaus gehende Vorstellungen. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst etwa sagte, dass in der Frage einer Erhöhung der Grundfreibeträge eine Einigung vor den Neuwahlen möglich sei.

Die Grünen sind nach Worten ihrer Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann offen für Gespräche, vor der Auflösung des Bundestages Steuerentlastungen zu beschließen. Frei sieht keine Notwendigkeit für Finanzierungsbeschlüsse für die Ukraine vor einer Neuwahl. Im Haushaltsentwurf für 2025 seien vier Milliarden Euro für bilaterale Militärhilfe vorgesehen. Da diese seines Wissens nach bereits weitgehend gebunden seien, könnten sie auch ausgegeben werden. „Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass man jetzt sozusagen zu Zeiten einer Minderheitsregierung noch weitreichende Finanzierungsentscheidungen in diesem Bereich treffen müsste.“