Wiederkehr: Anstieg außerordentlicher Schüler „dramatisch“

Wiederkehr bringt seine Forderungen in die Koalitionsverhandlungen ein © APA/MAX SLOVENCIK

Laut Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) steigt die Anzahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler bundesweit immer mehr an. „Die Zahlen, die wir in ganz Österreich sehen, sind dramatisch“, warnte er am Dienstag. Das betreffe Wien, aber auch andere Bundesländer, berichtete er. Wiederkehr sprach sich einmal mehr etwa für verpflichtende Deutschkurse im Sommer und mehr Personal aus. Diese Forderungen will er auch in die Koalitionsgespräche einbringen.

Den Status „außerordentlich“ erhalten Kinder, die dem Unterricht mangels Deutschkenntnissen nur unzureichend folgen können. In Wien waren es laut Bildungsressort in den öffentlichen Volksschulen im Oktober 2024 insgesamt 15.613 (knapp 21 Prozent). Dies ist ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. In der ersten Schulstufe wiesen sogar 8.342 und damit 44,6 Prozent der Kids hier deutliche Defizite auf.

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Anteil in Österreich bei mehr als 20 Prozent

Wie Wiederkehr im Gespräch mit Medienvertretern erläuterte, ist der Trend aber in ganz Österreich entsprechend – wobei Vergleichszahlen für das vergangene Schuljahr vorliegen. Laut der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS durch das Bildungsministerium wurde der Anteil der außerordentlichen Schüler im Schuljahr 2023/24 in der ersten Klasse Volksschule bundesweit mit 21,4 Prozent ausgewiesen. Im Schuljahr 2017/18 waren es noch 18 Prozent gewesen.

In Wien betrug der Anteil im vergangenen Schuljahr 37 Prozent, das waren etwa 2,5 Prozentpunkte mehr als 2017/18. In Tirol hat sich der Anteil laut Wiederkehr in diesem Zeitraum sogar verdreifacht. Er betrug im abgelaufenen Schuljahr knapp 15 Prozent. Ähnlich hoch fiel die Zuwachsrate im Burgenland aus.

Ein Anstieg von rund 70 Prozent wurde laut dem NEOS-Politiker in der Steiermark registriert. Einzig in Oberösterreich gab es laut den Zahlen einen – wenn auch geringen – Rückgang. Allerdings war der Anteil (21,6 Prozent) dort der zweithöchste aller Bundesländer.

Faktoren Flucht, Pandemie und Handynutzung

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Laut Wiederkehr sind eine Reihe von Faktoren für die Entwicklung verantwortlich. Dies seien zum einen die Fluchtbewegungen aus Syrien oder auch aus der Ukraine. Doch auch die Pandemie und die damalige Aussetzungen von Schulpflicht und verpflichtendem Kindergartenjahr würden sich auswirken. „Ich hab das immer kritisch gesehen“, versicherte er. Externe Sprachförderkräfte hätten zu der Zeit auch nicht in den Kindergarten kommen dürfen.

Zugleich zeige sich verstärkt, dass Eltern weniger mit den Kindern kommunizieren würden – da die Handynutzung hoch sei, wie Wiederkehr ausführte. „Einem Kind ein Handy in den Kinderwagen zu stellen, ist nicht für den Spracherwerb förderlich.“ Man setzte hier auf Aufklärungsgespräche, um auf die Gefahren hinzuweisen.

Kritik übte Wiederkehr einmal mehr an den vom Bund genehmigten Planstellen für die Deutschförderung – also an deren Anzahl und der laut dem Ressortchef bestehenden Deckelung. In Wien seien zuletzt nur 230 genehmigt worden. Im Schuljahr 2017/18 seien es noch knapp 365 Posten gewesen. Wien müsse darum Förderkräfte aus dem eigenen Budget finanzieren, berichtete er.

Wiederkehr pocht auf verpflichtende Deutschkurse

Wien hat zuletzt auch die Zahl der Sommerdeutschkurse erhöht. Wiederkehr pochte heute einmal mehr darauf, diese auch verpflichtend verordnen zu dürfen. So sollten etwa Kinder im Kindergarten, bei denen die Sprachstandsfeststellung einen entsprechenden Bedarf ergeben hat, zwei Wochen eine solche Einheit besuchen müssen.

Dafür sei eine bundesgesetzliche Regelung nötig, gab er zu bedenken. Auch ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr schwebt ihm vor. Die von ihm genannten Forderungen bringt er aktuell auch in die Koalitionsgespräche auf Bundesebene mit ein, wie er erklärte. Wiederkehr gehört zum pinken Team, das aktuell mit ÖVP und SPÖ über eine Regierungszusammenarbeit verhandelt.

„Das Thema hat für uns oberste Priorität in den Regierungsverhandlungen“, stellte er klar. Deutsch sei nicht optional, sondern Pflicht. Es sei wichtig, dass die nächste Bundesregierung eine große Deutschoffensive durchführe. Für die zusätzliche Förderung wären laut dem Wiener Stadtrat rund 100 Mio. Euro notwendig. Fehlen würden in ganz Österreich rund 20.000 Pädagoginnen bzw. Pädagogen, rechnete er vor.

Die Rathaus-Opposition sah ebenfalls dringenden Handlungsbedarf – vor allem im Kindergarten. Die Zahlen würden Sofortmaßnahmen im vorschulischen Bereich verlangen, hielt etwa der Bildungssprecher der Wiener Volkspartei, Harald Zierfuß, in einer Stellungnahme fest. Er kritisierte, dass die Anzahl der Sprachförderkräfte in Wiens Kindergärten stagniere. Nötig sei eine Kindergartenpflicht für alle Kinder mit Deutschförderbedarf ab drei Jahren inklusive „massiver Deutschförderung“.

Die Grünen stießen ins selbe Horn. Die Daten würden eindeutig ein systematisches Versagen bei der Deutschförderung im Kindergarten zeigen. Da viele betroffene Kinder hier geboren seien, habe dies nichts mit Fluchtbewegungen oder fehlenden Planstellen im Schulbereich zu tun, befanden die grünen Rathaus-Abgeordneten Julia Malle und Felix Stadler. Die Aufgabe liege in der alleinigen Verantwortung der Stadt.

Die Wiener FPÖ hielt fest, dass sie seit Jahren konsequente Sprachförderung fordere. Verpflichtende Kurse im Sommer würden das Problem aber nicht lösen, meinte FP-Chef Dominik Nepp. Diese seien „nichts weiter als ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Vielmehr müssten Probleme wie Pädagogenmangel oder Masseneinwanderung angegangen werden.