OGH bestätigt Schuldspruch im Fall „Dexter“

Vor einem Jahr war „Dexter“ im Wiener Landesgericht verurteilt worden © APA/THEMENBILD/HELMUT FOHRINGER

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat den Schuldspruch im Fall des mutmaßlichen Mafia-Paten mit dem Spitznamen „Dexter“ bestätigt und dabei die Auswertung von Kryptohandys, die dem Beweisverfahren in der ersten Instanz zugrunde lag, in diesem Fall als zulässig erklärt. Die Nichtigkeitsbeschwerde von Verteidiger Werner Tomanek wurde abgewiesen, die Strafberufung dem Oberlandesgericht (OLG) zugewiesen, das über eine Reduktion der im Vorjahr verhängten lebenslangen Haft entscheidet.

Der nicht geständige 35-jährige Dario D. alias „Dexter“ wurde im Dezember 2023 vom Geschworenengericht in Wien voll schuldig gesprochen, innerhalb von zwei Jahren den Verkauf von mehreren 100 Kilogramm Heroin und Kokain in Wien organisiert zu haben. Verteidiger Werner Tomanek hatte bereits in seinem Plädoyer erfolglos hinterfragt, was dem Staat in Sachen Telefon- sowie Messengerüberwachung alles erlaubt sein soll. Die Kriminellen hatten nämlich zur Abwicklung ihrer Geschäfte auf sogenannte Krypto-Handys zurückgegriffen, bei denen nicht einmal eine Standort-Peilung möglich war. Man konnte damit nicht telefonieren, aber Bilder, Videos und Audio-Nachrichten verschicken. Auch seine Nichtigkeitsbeschwerde bezog sich darauf.

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Überwachung von Messenger-Diensten als Hintergrund

Hintergrund ist die den österreichischen Strafverfolgungsbehörden derzeit nicht erlaubte Überwachung von Messenger-Diensten. Die rechtliche Ermöglichung dieser Ermittlungsmethode hat vor allem das Innenministerium seit geraumer Zeit auf der Agenda. Das von Tomanek in Zusammenhang mit der heimischen Rechtslage ins Treffen geführte Beweisverwendungsverbot sah der OGH aber nicht. „Die zuvor dargestellten Ermittlungsmaßnahmen in Betreff der Messenger-Dienste ANOM und Sky ECC erfolgten weder über Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsorgane noch unter deren Beteiligung“, wie es in der schriftlichen Urteilsbegründung des OGH heißt, „vielmehr haben die österreichischen Strafverfolgungsorgane bereits vorhandene Beweisergebnisse beigeschafft“.

Es gebe auch „keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte die Mobiltelefone mit den Technologien ANOM und SKY ECC nicht freiwillig benützt hat, dass dem Inhalt der aufgezeichneten Kommunikation ein von behördlicher Seite veranlasster Zwang oder ein sonstiges (etwa listiges) Einwirken staatlicher Behörden auf den Angeklagten zugrunde liegt, dass im Zuge der Ermittlungsmaßnahmen durch in- oder ausländische Behörden auf die Freiheit der Willensentschließung oder -betätigung des Angeklagten eingewirkt worden wäre, oder dass der Angeklagte durch Strafverfolgungsorgane (oder durch von diesen beauftragte Dritte) zur Begehung von Straftaten verleitet worden wäre“, heißt es weiter.

Tomanek „lobte“ im Gespräch mit der APA die „sehr ausführliche Begründung“ des OGH, für die er sich nahezu ein Jahr Zeit genommen habe, während er selbst für die Eingabe vier Wochen gehabt habe. Im Klartext bedeute dies: „Der Zweck heiligt die Mittel“, sagte der Anwalt.

Weiterer Anwalt reichte wegen verschlüsselter Chats beim OGH Beschwerde ein

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Während im Fall „Dexter“ die Auswertung der verschlüsselten Chats zulässig war, könnte das in zwei Fällen inhaftierter Männer in Zusammenhang mit Drogendelikten anders aussehen. Deren Anwalt Sven Thorstensen hat für seine Mandanten eine Grundrechtsbeschwerde bezüglich der Verhängung der Untersuchungshaft eingereicht und somit Bewegung in dieses Thema reingebracht. Der Anwalt argumentiert, dass Beweismittel dann nicht von einem anderen Staat verwendet werden dürfen, wenn diese in Österreich bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht erhoben werden hätten dürfen. Die französischen Behörden dürften in seinen Fällen für die Entschlüsselung der Chats eine Art Bundestrojaner eingesetzt haben, der in Österreich nicht bewilligt worden wäre, wie er im APA-Gespräch sagte.

Der OGH forderte als Folge deshalb die Gerichte in erster Instanz auf, zu überprüfen, unter welchen Voraussetzungen die französischen Behörden diese SKY EEC Chat Verläufe bekommen haben. Diese liegen nun vor. Demnach seien alle Handybesitzer über einen geraumen Zeit überwacht worden, um die auf einem Server liegenden Daten zu entschlüsseln. Für Thorstensen sei diese Vorgehensweise mit einem Bundestrojaner vergleichbar. Der Anwalt hat die Unterlagen nun an den OGH übermittelt, eine Entscheidung über ein mögliches Beweisverwertungsverbot erwartet er in eineinhalb Monaten. „Das letzte Wort hat der Oberste Gerichtshof“, sagte er.

Ausländische Behörden knackten Kommunikation der Kriminellen

Die Bande rund um „Dexter“ war aufgeflogen, als es ausländischen Strafverfolgungsbehörden gelang, die vermeintlich abhörsichere Kommunikation der Kriminellen zu knacken und die Inhalte, die über Server in Kanada und Frankreich liefen, zu sichern. In weiterer Folge wurden die Chats mit Hilfe des FBI entschlüsselt, was Ermittlungen gegen Kriminelle in zahlreichen europäischen Ländern zur Folge hatte. Die Chats, die „Dexter“ und seine rund 200 Köpfe umfassende Gruppierung betrafen, wurden über Europol den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt.

Dario D. war bereits ein Jahr zuvor am Wiener Landesgericht wegen schweren Raubes zu elf Jahren Haft verurteilt worden, auch dieser Schuldspruch wurde vom Obersten Gerichtshof (OGH) bestätigt, offen ist nur mehr, ob es auch beim von der ersten Instanz verhängten Strafausmaß bleibt.