Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Holger Bonin haben sich für ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich anstatt eines radikalen Sparkurses ausgesprochen. Ein Defizitverfahren ermögliche mehr Flexibilität bei der Konsolidierung, damit die Konjunktur nicht abgewürgt werde, so die Ökonomen. „Eine sprunghafte Reduktion“ des Defizits auf die Maastricht-Höchstgrenze von 3 Prozent würde laut aktueller Wifo-Prognose das Wachstums um 0,5 bis 1 Prozentpunkt dämpfen.
Anstelle eines moderaten Wirtschaftswachstums im Jahr 2025 von 0,6 Prozent droht Österreich bei einem radikalen Sparkurs dann das dritte Rezessionsjahr in Folge. „Wir können und müssen mit einem langfristigen Plan ambitionierte Budgetziele verfolgen“, forderte der Wifo-Direktor am Freitag bei der Präsentation der Winter-Konjunkturprognose 2024-2026. „Nur kürzen wird nicht reichen.“ Der IHS-Chef sprach sich für einen fünfjährigen Budgetkonsolidierungspfad für die gesamte Legislaturperiode der künftigen Regierung aus. Beide Spitzenökonomen pochten auf konjunkturschonende und sozial ausgewogene Einsparungen.
Lesen Sie auch
Beim Fiskalrat will man keine Empfehlung pro oder kontra Defizitverfahren aussprechen. Präsident Christoph Badelt verwies als Ökonom allerdings darauf, dass flexible Elemente und Verhandlungsspielräume der Fiskalregeln genutzt werden sollten, um das große Konsolidierungserfordernis möglichst konjunkturgerecht über den Anpassungszeitraum zu verteilen.
Wifo und IHS prognostizieren in ihrem aktuellen Konjunkturbericht ein staatliches Budgetdefizit von 4,2 bzw. 3,8 Prozent der Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr. Mögliche Sparmaßnahmen der künftigen Regierung wurden in der Prognose nicht berücksichtigt. Heuer soll sich das Defizit auf 3,7 Prozent des BIP belaufen.
Eine Reduktion des Budgetdefizits von 4,2 auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) würde laut Wifo einem Konsolidierungsbedarf von „etwa 6 Mrd. Euro“ entsprechen. Es gehe nicht darum, ob man 4,5 Mrd. oder 6,3 Mrd. Euro einspare, sondern um die richtigen Maßnahmen, so Felbermayr. „Es geht, darum dass man smart konsolidiert.“ Der Anstieg des Defizits im kommenden Jahr ergebe sich durch „die nachlaufende Indexierung monetärer Sozialleistungen, eine starke Zunahme der Zahl der Pensionsbezieher und steigende Ausgaben der Länder und Gemeinden in den Bereichen Umwelt, Wohnen, Bildung sowie Gesundheit und Pflege im Rahmen des Zukunftsfonds“.
Felbermayr und Bonin sprachen sich erneut für eine Abschaffung oder eine sozial treffsichere Ausgestaltung des Klimabonus und der Bildungskarenz aus. Alle möglichen Sparmaßnahmen sollte man unter dem Konjunktur-Aspekt bewerten. Beispielsweise schade eine Einschränkung öffentlicher Bauinvestitionen dem Wirtschaftswachstum mehr als die Abschaffung des Klimabonus, so Felbermayr. Bonin plädierte erneut dafür, beim vorzeitigen Pensionsantritt mit 62 Jahren (Korridorpension) über eine Erhöhung der Abschläge nachzudenken.
Ohne Einsparungen soll das staatliche Budgetdefizit im Jahr 2026 dann laut Wifo/IHS-Berechnungen 4,1 Prozent bzw. 3,6 Prozent betragen. Der Schuldenstand des Staates würde bis 2026 ohne Budgetkonsolidierung auf 84,5 Prozent des BIP klettern.