Welten von Makro bis Mikro

Gottfried Hattingers spannende Ausstellung „Weltmaschine“ zu Keplers 450. Geburtstag

„Ecosystem of Excess“ zeigt Tierchen aus — Plastik: Pinar Yoldas hat die Vorstellung, dass Plastikschlamm im Meer und tierische Organismen einmal eine Symbiose eingehen könnten, so ausgedrückt.
„Ecosystem of Excess“ zeigt Tierchen aus — Plastik: Pinar Yoldas hat die Vorstellung, dass Plastikschlamm im Meer und tierische Organismen einmal eine Symbiose eingehen könnten, so ausgedrückt. © Florian Voggeneder

Wussten Sie, dass sich Johannes Kepler quasi als Science-Fiction-Autor betätigt hat? Er hat 1609 in der Kurzgeschichte „Der Traum“ eine Welt erfunden, in der der Mond besiedelt ist.

Die Ausstellung „Weltmaschine“ im Offenen Kulturhaus (OK) in Linz, mit der die OÖ Landeskultur analog ins Museumsjahr startet, stellt nicht nur mit dieser Info eine Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst her.

17 Kunstwerke, darunter äußerst inspirierende Gerätschaften, führen mit ihren außergewöhnlichen wie originellen Assoziationen zum Thema Wissenschaft vom Größten ins Kleinste, vom Universum bis tief hinein in die mit freiem Auge nicht sichtbare Welt. Gesehen hat diese „Affinität“ der bewährte Kurator Gottfried Hattinger und großartige Künstler und ihre Arbeiten dafür nach Linz geholt.

Dazu gesellen sich Bezüge zu und Zitate von Johannes Kepler, dessen Geburtstag sich kürzlich zum 450. Mal gejährt hat. „Der universelle Geist Keplers schwebt darüber“, wie Hattinger sagt. Eine Schau, die große und kleine Besucher ebenso begeistern wird wie Kunstinteressierte und Wissenschaftsfans.

„Mit der ersten Schau nach der Ära Höhenrausch feiern wir die Wiederauferstehung des Ok“, betont Isolde Perndl, kaufmännische Leiterin der OÖ Landeskultur GmbH, bei der Präsentation. Und die ist gelungen.

Eingeteilt in vier thematische Bereiche erlebt man Universelles im zweiten Stock des OK. Es geht um Keplers Weltmodell, Zeitreisen und Wurmlöcher, mikroskopisch kleine Dinge und Bezüge zur Natur — man denke nur an Kepler und die Struktur von Eiskristallen.

Der Universalgelehrte verglich die Welt mit einem Uhrwerk, seine Weltmaschine wird in der Ausstellung in Form eines Hologramms gezeigt. Die wunderbar diffizile Maschine von Attila Csörgö setzt sich zu einem maschinellen Kosmos aus Würfeln, Tetra- und Oktaedern zusammen. Mit Schnüren verbunden und von kleinen Gewichten beschwert, werden sie von einem Elektromotor in Bewegung gehalten.

„Kosmisches Selfie“ und die Umlaufbahn der Erdäpfel

Humor und Ironie dürfen freilich nicht fehlen: Seiner geozentrisch orientierten hölzernen „Weltmaschine“ (2016) hängt Wendelin Pressl eine Zeichnung hinter Glas gegenüber, in der sich der Betrachter quasi in einem „kosmischen Selfie“ spiegelt: das egozentrische Weltbild. Im bekannten Apparat von Sigmar Polke aus 1969 umkreist auf Knopfdruck ein Erdapfel den anderen.

In einer Replik das allererste Mikroskop, mit dem eine 250-fache Vergrößerung und die Entdeckung bisher unsichtbaren Lebens gelang: Weil es die Fotografie noch nicht gab, hat man das Entdeckte — hier etwa eine Blattlaus aus der Feder von Antoni van Leeuwenhoek — in Zeichnungen festgehalten. „Manche Leute wollten daraufhin kein Wasser mehr trinken“, weiß Hattinger. Dass Pflanzen (re)agieren, macht Computerkunst aus dem Jahr 1993, die Arbeit „Anthroposcope“ von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau, sichtbar: Dabei wird die Bioaktivität einer Pflanze angezeigt, gleichzeitig kann der Besucher mit einem Sensor den eigenen Pulsschlag messen lassen. Daten von Pflanze und Mensch lassen künstliche Kreaturen entstehen, die man beim Blick ins Mikroskop sehen kann.

Langes Schweben und die 14 Leben einer Qualle

In einer Box eine frei schwebende Seifenblase, Verena Friedrich hat für „The Long Now“ (2016) besondere Bedingungen kreiert, um das filigrane Objekt so lange wie möglich am Leben zu erhalten. „Das längste war bisher eine Stunde“, sagt sie. Vergänglichkeit kommt einem in den Sinn. Und: Die Seifenblase ist ein eigenes kleines Universum, dessen Leben mit technischen Mitteln verlängert wird. Apropos lebensverlängernd: In Dominique Kochs Installation „Dead Immortal Jellyfish“ (2016) steht eine Quallenart im Mittelpunkt, die sich 14 Mal wieder verjüngen kann. Hattinger: „Gelänge es, das Modell auf den Menschen zu übertragen, würden wir 1000 Jahre alt werden.“

Und noch ein lebendes Phänomen: ein Schleimpilz, der ohne Gehirn und Nervensystem sein Futter in einem komplizierten Labyrinth findet. „The Physarum Experiments“ (seit 2009) von Heather Barnett ist live und im Zeitraffer im Video zu sehen.

Bis 15. Mai gibt es also viel zu entdecken, viel zu sehen, auch ein Roboter wird als Guide im Einsatz sein. Ein Tipp: In den Semesterferien bietet sich im Rahmen der Aktion Museum Total (24. bis 27.2.) eine günstige Gelegenheit zum Museumsbesuch.

www.ooekultur.at/exhibition-detail/weltmaschine

Von Melanie Wagenhofer