„Es kann lebensbedrohend sein“

Diskussion im EU-Parlament über Einschüchterungsversuche gegen Kritiker des Politischen Islam

Politischer Islam ist keine Religion: Diskussion im EU-Parlament mit Abg. Mandl, Journalistenpräsident Schneider, Menschenrechtlerin Keller-Messahli und Volksblatt-Mitarbeiter Maurer (von rechts).
Politischer Islam ist keine Religion: Diskussion im EU-Parlament mit Abg. Mandl, Journalistenpräsident Schneider, Menschenrechtlerin Keller-Messahli und Volksblatt-Mitarbeiter Maurer (von rechts). © Christoph Staudinger

Einfach mit ihrer Freundin Seyran Ates auf einen Kaffee gehen, das kann Saida Keller-Messahli nicht. „Vor dem Cafe-Besuch müssen Sicherheitsbeamte erst klären, ob das überhaupt möglich ist“, so die Schweizer Menschrechtsaktivistin, die zusammen mit der deutschen Imamin 2017 in Berlin die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet hat.

Weil Ates dort einen säkularen Islam predigt, gehören Morddrohungen für sie zum Alltag. Die Folge: Polizeischutz rund um die Uhr. „Ich könnte ihnen zehn Freunde aufzählen, die alle unter Polizeischutz leben, weil sie den Politischen Islam kritisieren“, sagt Keller-Messahli.

Die Präsidentin des eidgenössischen „Forum für einen fortschrittlichen Islam“ beleuchtete diese Woche auf Einladung der „Vereinigung Europäischer Journalisten“ (VEJ) in einer Diskussionsrunde im Brüsseler Europaparlament die Einschüchterungsmethoden, mit denen Protagonisten des Politischen Islam ihre Kritiker zumindest mundtot zu machen versuchen. „Es kann schon lebensbedrohend sein“, so Keller-Messahli, die aber auch weniger archaische Instrumente zur Unterdrückung von Kritik kennt.

„Wenn sie den Politischen Islam kritisieren, denn riskieren sie eine Lawine von Anzeigen und Klagen, damit sie eingeschüchtert sind und es sich das nächste Mal sehr gut überlegen.“

Juristischer Dschihad

Davon kann auch der von VEJ-Präsident Ralf Schneider zur Debatte in der Voxbox des EU-Parlamentes eingeladene Volksblatt-Mitarbeiter Manfred Maurer ein Lied singen. Ein inzwischen selbst wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verurteilter islamischer Religionslehrer hatte ihn wegen eines Berichtes über ein auf Facebook geteiltes Dschihad-Video geklagt. Trotz Freispruch blieb sein Verlag auf einem Teil der Anwaltskosten sitzen, da der unterlegene Kläger diese nicht zur Gänze übernehmen muss.

Das ist offenbar ein Kalkül klagefreudiger Islamisten: Selbst wenn sie einen Prozess verlieren, was oft vorkommt, haben geklagte Medien einen Schaden. Dieser „juristische Dschihad“ könnte eine Erklärung für die Zurückhaltung mancher Medien im Umgang mit islamistischen Verbänden sein, hat aber auch einen positiven Aspekt: Der daraus resultierende Druck fördert die Akribie bei der Recherche und somit die Qualität der journalistischen Arbeit.

Zu bemitleiden sind vor allem jene Muslime, die als Informanten solche Berichte oft erst möglich machen und wegen konkreter Bedrohungen etwa von Verwandten in Herkunftsländern nur unter dem Schutz der Anonymität Licht ins islamistische Dunkel werfen können.

Politik gefordert

„Ich sehe die Karte bei mir“, sagt Lukas Mandl, „die Politik muss etwas tun“. Der ÖVP-Europaabgeordnete kann auf erste Erfolge verweisen. So hat das Europaparlament bei der EU-Kommission erreicht, dass der „Islamophobie-Report“ keine EU-Förderungen mehr bekommt. Damit verliert das von der türkischen Seta-Stiftung herausgegebene Jahrbuch, in dem neben echten Islamhassern vor allem liberale Muslime an den Pranger gestellt werden, die Möglichkeit, sich mit dem Aufdruck des EU-Logos einen Anstrich von Seriosität zu verleihen.

Mandl mahnt vor dem Hintergrund des alles überlagernden Ukraine-Krieges, „dass wir das eine tun ohne das andere zu lassen“. Wie in der Ukraine gehe es auch im Kampf gegen Islamisten um Frieden und Freiheit. Denn, so der ÖVP-Abgeordnete, „die gefährliche und kranke Ideologie des Politischen Islam bedroht unsere Zivilisation und verdient nicht die Rechte und Freiheiten, die Religionen haben, weil das keine Religion ist“.

Radikale Minderheit

Keller-Messahli verweist auf viele der Muslimbruderschaft nahestehende Organisationen, die in Brüssel lobbyieren, aber nur eine kleine Minderheit der Muslime repräsentieren.

„Sie bezeichnen sich als Vertreter der muslimischen Bevölkerung anstatt zu sagen, sie seien Vertreter des Politischen Islam“, so Keller-Messahli. Hier werde Desinformation betrieben, um Politiker zu täuschen. Die tunesisch-stämmige Schweizerin rät der Politik zur Intensivierung ihrer Kontakte zu „Muslimen, die laizistisch sind“.

Das würde auch dazu beitragen, dass sie ihre Freundin in Berlin endlich ohne Polizeischutz treffen kann…

Von Manfred Maurer