Ein Orden fürs künstlerische Brusterl

„Sissi lässt sich scheiden“: „Operettical“ im Theater in der Innenstadt

Auch nach 25 Ehejahren noch ein glückliches Paar? Julia Reif als die Sissi und Raimund Stangl als der Kaiser im Theater in der Innenstadt
Auch nach 25 Ehejahren noch ein glückliches Paar? Julia Reif als die Sissi und Raimund Stangl als der Kaiser im Theater in der Innenstadt © Josef Pfisterer

An welchem Klischee Maß nehmen, wenn es um DIE Sisi geht, „unsere“ Kaiserin Elisabeth. Werner Rohrhofer, studierter Theologe und Philosoph, ehemaliger Chefredakteur des VOLKSBLATTES, stellt eine waghalsige These auf: „Sissi lässt sich scheiden“.

Als Theaterstück feierte die kuriose Annahme am Freitagabend Premiere im Theater in der Innenstadt in Linz. Rohrhofers zwinkernder Blick richtet sich auf den 25. Hochzeitstag des unsterblichen Kaiserpaars, wo die ebenso klischeebehaftete Erzherzogin Sophie in Bad Ischl ein großes Fest feiern möchte, während die rebellische Schwiegertochter längst die Nase voll hat von ihrem „uncoolen Softie“.

Nik Raspotnik, Theaterchef, Regisseur und feuriger Graf Andrássy erlaubt sich indes die „wundarschene Kenigin“ im breitesten ungarischen Akzent anzubeten. Bürgermeister der kaiserlichen Kulturhauptstadt ist Michael Kuttnig. „Im Salzkammergut, da kammer gut lustig sein“ eröffnet er das „Operettical“, eine Wortkreation für das Hitfeuerwerk quer durch die Operettengeschichte samt Ausflügen zu Operngassenhauern („Reich mir die Hand mein Leben“, „Ach wie so trügerisch“).

Gedanken von Heinrich Heine strömen gelegentlich aus seinem Porträt, wohl als Hommage auf der Kaiserin poetische Ader. Kuttnig slapstickt sich gekonnt durch die Szenen, schafft so Übergänge zwischen Liedern und Handlung.

Der Bariton von Kaiser Raimund Stangl tönt sanft. Fast rührend agiert er in seiner Rolle als imperiales Muttersöhnchen, das gelegentlich fesche Orden für untertänige Brusterl verleiht. Wenn allseits Töne nicht gemäß Notenblatt daherkommen, wirkt das sogar authentisch bei den komischen Figuren.

Die Stimmung steigt, das Publikum klatscht und singt mit. Als dann der hanebüchene Lois (Raspotnik), Erfinder des Skifahrens, zu „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ mit Kaiser und Bürgermeister einen Männer-Cancan tanzt, gibt es kein Halten mehr.

Julia Reif als Sissi macht gute kaiserliche Figur mit prächtig inszeniertem Auftritt im berühmten Tüll-Sternenkostüm. Doris Krause als Erzherzogin gibt die Resolute, bejubelt nach ihrer Lach-Arie „Mein Herr Marquis“, Kuttnig streut drei Strophen Hobellied drüber, als Kontrast schmettert Kaiser Franzl plötzlich „Granada“. Denn — oh Skandal! — die Kronenzeitung kriegt Wind von der Scheidung. Zur Ablenkung der Yellow Press verführt die Erzherzogin, „Meine Lippen, die küssen so heiß“, den Grafen Andrássy. Diesen Eklat überbietet wiederum die Entführung der Erzherzogin.

Irgendwie gelingt es Rohrhofer, dieses wüste Wirrwarr einigermaßen schlüssig zu finalisieren, operettenselig ertränkt in der Champagner-Arie aus der „Fledermaus“.

Für diese fröhlich turbulenten zwei Stunden mit so vielen vertrauten Melodien steht dem Ensemble allemal ein fescher Faschingsorden fürs künstlerische Brusterl zu.

Info & weitere Vorstellungstermine: www.theater-innenstadt.at