Die EU-Kommission und Deutschland haben Polen zur Aufklärung in der Affäre um möglichen Visa-Betrug gedrängt. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson forderte in einem Brief an die polnischen Behörden „Klarstellungen“ und setzte dafür eine Frist bis zum 3. Oktober, wie eine Sprecherin der Kommission am Mittwoch in Brüssel sagte. Sie bestätigte damit Angaben der „Bild“-Zeitung. Die Regierung in Warschau wies die Vorwürfe als „absurd“ zurück.
Der Visa-Skandal setzt die rechtskonservative polnische Regierung wenige Wochen vor der Parlamentswahl massiv unter Druck. Polnische Beamte sollen gegen Bezahlung tausende bis hunderttausende Visa vor allem in Asien und Afrika illegal vergeben haben. Darunter sollen auch Schengen-Visa gewesen sein.
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Die EU-Kommission nannte die Betrugs- und Korruptionsvorwürfe „sehr besorgniserregend“. Zu befürchten sei ein Verstoß gegen EU-Recht, sagte Johanssons Sprecherin Anitta Hipper. Die Innenkommissarin habe dazu eine Reihe detaillierter Fragen an Warschau gerichtet.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser verlangte ebenfalls „eine schnelle und vollständige Aufklärung“, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin sagte. Faeser hatte dazu am Dienstag mit ihrem polnischen Amtskollegen Mariusz Kaminski telefoniert. Zuvor war außerdem der polnische Botschafter Dariusz Pawlos zu einem Gespräch ins Innenministerium gebeten worden.
Polens Innenminister Kaminski wies die Vorwürfe entschieden zurück. „Die deutsche Presse hat sich auf die völlig absurde Darstellung der Opposition über das Ausmaß der Vorfälle gestürzt“, sagte er dem polnischen Radiosender Zet. Er habe Faeser aufgerufen, den „Müll nicht zu glauben“. Es handle sich lediglich um Wahlkampfgetöse. Die polnische Regierung spricht von einem weit geringeren Ausmaß bei der illegalen Visa-Vergabe. Die polnische Opposition warf der Regierung vor, die im Wahlkampf Stimmung gegen Migranten macht, „Hunderttausende Migranten“ nach Polen geholt zu haben. In Polen wird im Oktober gewählt.
Im Zentrum des Skandals steht nach polnischen Medienberichten das Außenministerium in Warschau. Ein Vize-Minister wurde deshalb inzwischen suspendiert. Er soll ein illegales Netzwerk zum Einschleusen von Migranten aus Asien und Afrika über die polnischen Konsulate aufgebaut haben. Externe Unternehmen sollen für die Schleusung bezahlt worden sein.
Mit Hilfe von Schengen-Visa könnten die eingeschleusten Menschen theoretisch auch in andere Mitgliedsländer gelangen. Die deutsche Bundespolizei hatte nach Regierungsangaben zuletzt ihre Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze intensiviert.
Die deutsche Regierung erbat laut dem Ministeriumssprecher Informationen über Zeitpunkt und Zahl der vergebenen Visa sowie über die Staatsangehörigkeiten der Empfänger. Ebenso sei nach Gegenmaßnahmen der polnischen Regierung gefragt worden. „Die Gespräche dazu werden auch weiterhin laufen“, betonte der Sprecher.