Im Herbst 2019 trat in China eine seltsame Lungenkrankheit verstärkt auf, bald darauf zog SARS-CoV-2 die ganze Welt in den Bann. Die ersten Corona-Fälle in Österreich traten am 25. Februar 2020 in Innsbruck auf, am 5. März 2020 hatte Covid-19 auch Oberösterreich erreicht.
Das VOLKSBLATT sprach mit Corona-Experten, Lungenprimar Univ.-Prof. Bernd Lamprecht vom Linzer Kepler Universitätsklinikum, über die Erkenntnisse seither.
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VOLKSBLATT: Welche zentralen Erkenntnisse hat die Medizin mittlerweile über das Coronavirus gewonnen?
LAMPRECHT: Geklärt werden konnten die Infektionswege, der Nutzen von Schutzmaßnahmen (Maske, Abstand, Händehygiene), die Vielfältigkeit der Symptomatik, das Profil von Risikopersonen, geeignete Behandlungsmöglichkeiten und der Effekt von Schutzimpfungen bzw. Immunität.
Ging man ursprünglich von einer Lungenerkrankung aus, weiß man heute, dass der gesamte Körper betroffen sein kann. Welche Bereiche mit welcher Häufigkeit?
In der Anfangsphase war oft die Lunge schwer betroffen, weil keinerlei Immunität vorhanden war und sich das Virus rasch über die oberen Atemwege im Körper ausbreiten konnte. Mit zunehmender Immunität sind schwere Organkomplikationen seltener geworden, die Erkrankung spielt sich nun in erster Linie im Bereich der oberen Atemwege (Nase, Rachen) ab. Gleichzeitig vermag dieses Virus auch eine Entzündung der Gefäßinnenwände auszulösen und damit in allen Organen des Körpers Schäden hervorzurufen. Die Gefahr von Blutgerinnseln, Einschränkungen bei der Signalweiterleitung im Nervensystem, oder auch Beschwerden im Magen-Darm-Trakt ist groß.
Hohes Risiko bei Immunschwäche
Kann man heute präziser sagen, wer ein höheres Risiko hat, an Covid-19 zu erkranken?
An der Einschätzung, wer ein besonders hohes Risiko hat, an Covid-19 schwer zu erkranken, hat sich seit Beginn der Pandemie nicht sehr viel verändert. Hauptrisikofaktoren sind fortgeschrittenes Alter, schwerwiegende Grunderkrankungen und vor allem Immunschwäche. Mit der breit hergestellten Immunität konnte für die ersten beiden Faktoren einiges an Risiko reduziert werden. Bei Immunschwäche-Zuständen ist aber noch ein deutlich erhöhtes Risiko für einen komplikationsbehafteten Verlauf gegeben. Da mit fortgeschrittenem Alter das Immunsystem schwächer wird, werden vorbeugende Maßnahmen und/ oder rasche Behandlung besonders dieser Personengruppe empfohlen.
Wie sieht mittlerweile die klassische Behandlung bei leichten, mittelschweren und schweren Akut-Fällen aus?
Leichte Erkrankungen bei Personen ohne erhöhtem Risiko für Komplikationen benötigen in vielen Fällen keine oder nur eine symptomatische Behandlung – z. B. fiebersenkende Maßnahmen, Schmerzmittel. Bei schwerer Erkrankung oder Infektion einer Person mit deutlich erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf ist eine frühzeitige anti-virale Therapie (z. B. mit Paxlovid) im Sinne einer Risikoreduktion empfehlenswert. Im stationären Bereich kann zusätzlich eine weitere anti-virale Therapie (Remdesivir) angeboten werden. Bei schwererem Verlauf hat sich zudem der Wirkstoff Cortison als eine vorteilhafte Behandlungsmöglichkeit gezeigt.
Anfangs musste jeder zehnte Erkrankte im Spital behandelt werden, wie haben sich die Zahlen weiterentwickelt?
Der exakte Prozentsatz der Infizierten, der eine stationäre Behandlung benötigt, ist mangels umfassender Testung und damit fehlendem Nachweis der Virusinfektion nicht mehr präzise zu beziffern. Die stark rückläufigen Zahlen an hospitalisierten Covid-19-Patienten bei hohen Infektionszahlen – abzulesen durch das Abwasser-Monitoring – sprechen jedoch klar dafür, dass nur noch ein sehr kleiner Anteil der Infizierten intensivere medizinische Unterstützung benötigt. In erster Linie Personen, bei denen durch die Virusinfektion vorbestehende schwerwiegende Erkrankungen destabilisiert werden und/oder die aufgrund des weit fortgeschrittenen Alters nachhaltig geschwächt werden.
Wie hoch ist die Mortalität im Vergleich zur Influenza?
Die Mortalität war anfangs deutlich höher als bei der Influenza, dies kann man sehr gut bei der Beanspruchung von Intensivstationen ablesen. In sehr starken Influenza-Jahren lagen in Österreich zwischen 100 und 150 Personen gleichzeitig auf einer Intensivstation, in der Hochphase von Covid sind diese Zahlen jedoch bei 700 und darüber gelegen. 2022 war Covid-19 die dritthäufigste Todesursache nach Herzkreislauf-Erkrankungen und Krebs, zirka sieben Prozent aller Todesfälle (rund 6300) wurden direkt auf eine Coronavirus-Infektion zurückgeführt. Die Mortalität hat sich durch die Herstellung der Immunität aber stark geändert.
Wer sollte sich heutzutage noch impfen lassen?
Es heißt, eine Corona-Impfung reduziert den Schweregrad der Erkrankung und das Risiko für Long Covid. Wer sollte sich heutzutage noch impfen lassen?
Immunität, durch Impfung oder Genesung, reduziert nachweislich den Schweregrad einer späteren neuerlichen Erkrankung. Zudem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass mit der Immunität auch das Risiko für anhaltende Beschwerden im Sinne von Long Covid abnimmt. Das nationale Impfgremium empfiehlt daher eine Impfung bzw. Auffrischungsimpfung besonders jenen Personen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Erkrankung haben. Über 60-Jährige, Personen mit chronischen Begleiterkrankungen sowie Mitarbeiter im Gesundheitssystem. Diesen drei Gruppen wird derzeit eine jährliche Auffrischungsimpfung empfohlen, bei allen anderen Personen sollte zumindest eine Basisimmunität durch drei immunologische Ereignisse angestrebt werden.
Es heißt aber auch, jeder Kontakt mit dem Virus richtet neue Schäden an. Was bedeutet das in Sachen Impfung?
Im Gegensatz zur Infektion mit dem echten Virus ist die Impfung lediglich ein Kontakt mit Merkmalen des Virus, daher ist eine Erkrankungsgefahr wegen vermehrungsfähigem Virus nur im Falle einer Infektion möglich, die Impfung löst hingegen lediglich eine Reaktion des Immunsystems aus.
Gibt es Unterschiede in der Dauer der Immunität, ob man erkrankt war oder den Kontakt mit SARS-CoV-2 durch eine Impfung hatte?
Die Immunität hängt im Wesentlichen von der Qualität der eigenen Immunantwort ab, diese fällt zwischen älteren und jüngeren Menschen oder zwischen immunkompetenten und -inkompetenten Personen sehr unterschiedlich aus. Während bei der Impfung immer eine konstante Menge an Virusmerkmalen angeboten wird und damit eine gleichmäßige Immunantwort prinzipiell möglich ist, hängt es bei einer Infektion stark von der Viruskonzentration ab, die übertragen wird. Diese Viruskonzentration (Virus-Load) spielt nach aktuellen Erkenntnissen auch eine Rolle für das Risiko von Long Covid.
Von Michaela Ecklbauer