Die Lage in den Überschwemmungsgebieten in Libyen ist weiterhin dramatisch. Man müsse damit rechnen, Tausende von Leichen unter den Trümmern im Schlamm zu finden, sagte eine Sprecherin des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) am Mittwoch. Es sei noch immer sehr schwierig, genaue Angaben zu den Opferzahlen zu machen. Schätzungen gingen demnach davon aus, dass mindestens 10.000 Menschen vermisst werden.
„Die Chance, noch Überlebende zu finden, ist sehr gering“, so die Sprecherin. Gleichzeitig fehle es den Überlebenden am Nötigsten. Sie hätten noch immer keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, Essen, Unterkünften, Elektrizität oder Kommunikationsmöglichkeiten nach außen.
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Das ICRC habe den lokalen Behörden und dem Libyschen Roten Halbmond bisher 6.000 Leichensäcke zur Verfügung gestellt. 5.000 weitere sollen nach Angaben der Sprecherin folgen. Gleichzeitig habe das ICRC Forensikexperten organisiert, die bei der Identifizierung der Leichen helfen.
Rettungsarbeiten gestalteten sich weiterhin enorm schwierig, da viele Gebiete noch immer sehr schwer zu erreichen seien. Viele Straßen und Brücken hätten durch die Überschwemmungen enormen Schaden genommen. Auch die Informationslage ist nach ICRC-Einschätzungen kompliziert: „Es gibt keine Internetverbindung, Telefongespräche sind schwierig“, so die Sprecherin.
Libysche Aktivisten, die sich für die Flutopfer einsetzen, teilten mit, dass viele Leichen ohne Identifizierung begraben worden seien. Die Datenanalystin Nour Momen, die bei der Auflistung und Identifizierung der Leichen hilft, sagte, in der stark betroffenen Hafenstadt Darna gebe es Sammelstellen für Leichen. Überlebende versammelten sich an den Stellen, um möglicherweise mehr über vermisste Angehörige zu erfahren, um Leichen zu identifizieren und begraben zu können.
Die Republik Österreich kündigte indes am Dienstag an, zwei Millionen Euro als Unterstützung für die Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften anlässlich der Katastrophen in Nordafrika zur Verfügung zu stellen. Die Mittel sollen über den Auslandskatastrophenfonds freigesetzt werden. Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, sagte dazu am Mittwoch: „Eine wichtige und großzügige Maßnahme, um die Not für die betroffenen Menschen zu lindern. Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind rund um die Uhr im Einsatz, um die Situation in den betroffenen Gebieten zu verbessern.“
Nach den Naturkatastrophen in Nordafrika ist die Not in Libyen und Marokko groß. Sturm „Daniel“ sorgte in Libyen für schwere Überflutungen, die mehr als 11.300 Menschen ihr Leben kosteten, mehr als 10.000 Menschen werden seither vermisst. In Marokko kostete ein Erdbeben der Stärke 6,8 mehr als 2.900 Menschen das Leben, auch hier gibt es tausende Verletzte und Vermisste.