Krankhaftes Übergewicht konterkariert die Fortschritte der Medizin rund um die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In den USA ist in zwei Jahrzehnten die Zahl der Herz-Todesfälle durch Adipositas um jährlich rund fünf Prozent gestiegen, hieß es vor kurzem beim Jahreskongress der American Heart Association (AHA) in Dallas. Auch bei der chronischen Herzschwäche gibt es einen katastrophalen Trend.
Ab Beginn der 1980er-Jahre sorgte die Entwicklung der modernen Kardiologie mit neuen Medikamenten zur Behandlung von Bluthochdruck, zu hohen Blutfettwerten, die Bemühungen zum Zurückdrängen des Rauchens und die lebensrettende Akutversorgung im Falle eines Herzinfarkts mit Herzkatheter-Eingriffen und Stents für sinkende Mortalitätsraten in Sachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch die Adipositas-Welle – speziell seit Beginn des 21. Jahrhunderts – könnte einen guten Teil der Errungenschaften zunichte machen.
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Zunehmende Verbreitung von Fettleibigkeit als Risikofaktor
„Fettleibigkeit ist ein ernst zu nehmender Risikofaktor für ischämische Herzkrankheiten (Herzinfarkt, Atherosklerose-bedingte Herzleiden; Anm.). Dieses Risiko steigt mit der zunehmenden Verbreitung von Fettleibigkeit in alarmierendem Maße an“, sagte Aleenah Mohsin von der Brown University in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island, als sie ihre Studie bei dem großen Kardiologenkongress vorstellte.
Die Wissenschafterin und ihre Co-Autoren hatten öffentliche Gesundheitsdaten der Epidemiologen der Centers for Disease Control (CDC/Atlanta) für die Jahre 1999 bis 2020 analysiert. Die Berechnungen ergaben, dass es in den USA von 1999 bis 2020 einen signifikanten und anhaltenden Anstieg der Todesfälle durch Adipositas-bedingte ischämische Herzerkrankungen gab. So stieg die Gesamtzahl der Todesfälle durch Fettleibigkeit infolge von Herzerkrankungen jährlich um 5,03 Prozent. Die Sterberate bei Männern stieg von 2,1 Todesfällen pro 100.000 Menschen im Jahr 1999 auf 7,2 pro 100.000 im Jahr 2020 – eine Zunahme von 243 Prozent.
Mortalitätsrate bei Männern von 1999 bis 2020 fast verdreifacht
Die Mortalitätsrate durch diese Erkrankungen bei Männern im Alter von 55 bis 64 Jahren erhöhte sich von 5,5 Todesfällen pro 100.000 Menschen im Jahr 1999 auf 14,6 Todesfälle pro 100.000 Menschen im Jahr 2020 – ein Anstieg von 165 Prozent. Bei den Frauen stieg die altersbereinigte Sterberate von 1,6 Todesfällen pro 100.000 Personen im Jahr 1999 auf 3,7 pro 100.000 im Jahr 2020 – eine Zunahme von 131 Prozent.
Geografisch zeigte sich, dass die größte Zunahme der tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den US-Bundesstaaten des Mittleren Westens (Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Michigan, Minnesota, Missouri, Nebraska, North Dakota, Ohio, South Dakota und in Wisconsin) zu registrieren war. Dort ist in den USA die Adipositas (BMI größer 30) besonders verbreitet.
Anstieg über den Erwartungen
„Wir haben einen Anstieg der Todesfälle in Verbindung mit Fettleibigkeit erwartet, da die Prävalenz von Fettleibigkeit seit Jahren stetig zunimmt. Wir haben jedoch nicht mit einem derart starken Anstieg der Sterblichkeit gerechnet, insbesondere bei Männern mittleren Alters“, sagte Aleenah Mohsin bei der Präsentation ihrer Studie.
Die Entwicklung könnte auch auf die Sterblichkeit durch chronische Herzschwäche als häufige Komplikation von zuvor erlittenen ischämischen Herzerkrankungen durchschlagen. Statistisch um verschiedene Faktoren bereinigt sank die Sterberate durch Herzinsuffizienz bei den über 75-Jährigen in den USA zwischen 1999 und dem Jahr 2012 von 141 pro 10.000 Personen und Jahr auf 108 pro 10.000 Menschen. Dann kam es aber bis 2019 wieder zu einem Anstieg auf rund 121 Todesfälle durch Herzinsuffizienz pro 10.000 Menschen und Jahr, wie aus einer Studie im Journal des American College of Cardiology (JACC; DOI: 10.1016/j.jchf.2022.06.012) hervorging. Einen ähnlichen Trend gibt es offenbar in den USA auch bei jüngeren Personengruppen.
Ähnliche Untersuchung in Schweden ergab signifikantes Absinken
„Als mögliche Ursache wird die Zunahme von Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Adipositas und Typ-2-Diabetes vermutet, die offenbar die Verbesserungen durch die Therapie mehr als aufheben“, hieß es dazu im Deutschen Ärzteblatt. In den USA seien außerdem gerade viele jüngere Menschen wegen einer fehlenden Krankenversicherung medizinisch unterversorgt.
Eine ähnliche Untersuchung in Schweden hat zum Beispiel gezeigt, dass dort die Sterblichkeit infolge von chronischer Herzschwäche zwischen 1997 und dem Jahr 2022 signifikant gesunken ist. Ein Vergleich der langfristigen Trends zeigt ein immer größeres Auseinanderklaffen der Kurven zwischen dem skandinavischen Land und den Vereinigten Staaten.