Nicht die Mortalitätsrate, sondern die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist für den Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz, Bernd Lamprecht, das Gefährliche am Coronavirus.
Das Tempo zu drosseln, war „für den Anfang genau das Richtige“. Nun sei aber die Phase gekommen, getroffene Maßnahmen zur Eindämmung zu überdenken, meint er.
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Lamprecht vergleicht die Situation mit einer Autofahrt. Nähert sich eine Gefahr, legt man eine Vollbremsung hin und fährt dann auf Sicht weiter. Zu diesem Weg habe sich Österreich entschlossen, den der Mediziner für richtig hält. Denn so sei den „Spitälern Zeit gegeben“ worden. Das Hinauszögern des Peaks habe bewirkt, dass mit der jetzt abgeflauten Grippewelle die Krankenhäuser mehr Ressourcen haben, sagt er im Gespräch mit der APA.
Das Coronavirus stelle vor allem eine Bedrohung für das Gesundheitswesen dar. Aktuell müssen beispielsweise in Oberösterreich rund zehn Prozent der Infizierten ins Spital, rund ein Viertel davon benötige eine intensivmedizinische Behandlung, was derzeit kein Problem darstelle.
Hätte man jedoch keine Verlangsamung bei den Ansteckungen erreicht, wäre die medizinische Versorgung nicht mehr zu gewährleisten – auch wenn das Gesundheitssystem in Österreich deutlich besser als in Italien oder Frankreich ist.
Eine andernfalls drohende Überforderung der Krankenhäuser spreche seiner Ansicht nach auch gegen derzeit aufkeimende Meinungen, Österreich habe übertrieben reagiert und mit dem Shutdown erst die Krise verursacht.
Die Annahme, eine Isolierung der Risikogruppe der Älteren und ein Weitermachen für den Rest der Bevölkerung mit erhöhten Hygienemaßnahmen hätten im Kampf gegen Corona gereicht, könne er aus derzeitiger Sicht nicht teilen. Fakt sei, dass im Linzer Keplerklinikum von den bisher sechs Verstorbenen zwei junge Patienten waren, von denen wiederum nur einer schwere Vorerkrankungen hatte. Corona sei daher keineswegs nur ein „Fledermausschnupfen“.
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Möglicherweise werden im Umgang mit der Pandemie auch Fehler gemacht, will der Lungenfacharzt nicht ausschließen, aber im Nachhinein sei man immer klüger. Aber: „Bisher hat es kein anderes Land besser gemacht.“ Selbst jene Länder, die anfangs einen anderen Kurs gefahren sind, haben mit Ausnahme von Schweden umgelenkt. Es könnten eben nur aus der aktuellen Situation heraus Entscheidungen getroffen werden.
Derzeit befinde man sich, womit Lamprecht beim Vergleich mit der Autofahrt bleibt, in der Phase des Auf-Sicht-Fahrens. Es gelte jetzt zu überlegen, welche Maßnahmen nach der Vollbremsung geändert – das Wort Lockerung will er nicht verwenden – werden sollten. Es sei ein Balanceakt zwischen medizinischer und wirtschaftlicher Herausforderung.