Wiener Kriminalisten haben einen sogenannten Rip-Deal-Betrüger ausgeforscht, dem sieben Taten mit 1,2 Millionen Euro Gesamtschaden nachgewiesen werden konnten. Die meisten Geschädigten, denen vor allem Kryptowährungen gestohlen wurden, stammen aus Österreich. Der niederländische Staatsbürger wurde in Zusammenarbeit mit Europol in Mailand gefasst und bereits im heurigen Oktober am Landesgericht St. Pölten zu drei Jahren Haft verurteilt, berichtete die Polizei am Donnerstag.
Im Gegensatz zum klassischen Rip-Deal, bei dem für angebotene Luxusgüter wie hochpreisige Uhren, Goldmünzen und Goldbarren nahezu immer Falschgeld übergeben wird, ging es dem gefassten 39-Jährigen meist darum, Kryptokonten seiner Opfer leer zu räumen. Die Ermittler der Rip-Deal-Unit des Wiener Landeskriminalamtes sprechen daher von „Rip-Deal 2.0“. Aber auch Falschgeld im Nennwert von 200.000 Euro wurde bei dem Niederländer mit serbischen Wurzeln sichergestellt. Diese Deliktsformen werden meist von erfahrenen Banden und Clans der Westbalkanregion angewandt, so auch in diesen Fällen.
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„Operation Dallas“
Die Ermittlungen liefen unter dem Namen „Operation Dallas“, da der ausgeforschte Hauptverdächtige Clan-intern „Kennedy“ genannt wird, erläuterte Chefinspektor Gerald Goldnagl, Leiter der Rip-Deal-Unit Vienna, bei einem Hintergrundgespräch. Ins Rollen kam der Fall, nachdem im Jahr 2021 ein Vorarlberger Privatdetektiv mit mehreren Geschädigten auf die Wiener Sonderermittler zugekommen war.
„Eines der Opfer war ein Niederösterreicher aus St. Pölten, der seine Wohnung in Italien verkaufen wollte“, berichtete Valentin Szaga-Doktor, einer der beteiligten Kriminalisten. Der Betroffene wurde von angeblichen Geschäftsmännern kontaktiert, die sich in den Niederlanden treffen wollten und als Vermittler für den Verkauf eine Provision von 75.000 Euro verlangt hatten. Im Gegenzug übergaben sie dem Niederösterreicher den Kaufpreis für die Wohnung in Form von Falschgeld und flüchteten – ein klassischer Rip-Deal.
Fälle im In- und Ausland
„Den Fall konnten wir relativ schnell klären“, sagte Szaga-Doktor. Von dem Verdächtigen wurden Bilder und Sprachaufzeichnungen gesichert und nach und nach tauchten weitere Fälle mit dem Beschuldigten mit dem Szenenamen „Kennedy“ auf. Die anderen Opfer waren aus dem niederösterreichischen Bezirk Tulln, aus Salzburg, ein Wiener Geschäftsmann, ein Unternehmer aus dem Bezirk Liezen und je ein Betroffener aus der Schweiz und aus Deutschland, wo sich deutsche Kriminalisten aufgrund der Ermittlungen in Österreich meldeten.
Hier wurden von den Tätern in erster Linie Kryptowährungen verlangt, damit die Opfer ihre Bonität nachweisen. Im Fall des Unternehmers aus dem Bezirk Liezen blieb es bei einem versuchten Rip-Deal. Die Täter haben versucht ihn zu verleiten, 131.000 Euro auf einem Krypto-Wallet zu hinterlegen für die Vermittlung zu einem Geschäft um den Verkauf von Industriemaschinen, erläuterte Szaga-Doktor. Der Vater einer Polizistin wurde jedoch stutzig und stieß im Internet auf Warnungen zu Rip-Deals, seine Tochter wandte sich an die Rip-Deal-Unit in Wien.
Vorgehensweise „genial“
Die Täter stellen bei ihrem Opfer zunächst eine große Vertrauensbasis her. Die Vorgehensweise sei „genial“, sagte Mario Kaintz, einer der weiteren Ermittler. Die Betroffenen werden fast immer ins Ausland in ein schönes Hotel oder Umfeld eingeladen, oft nach Italien. Die Betrüger nutzen laut Kaintz sowohl Unwissenheit als auch Leute, die sich mit Kryptowährungen auskennen, aus. Bei der Eingabe eines Passworts oder der dazugehörigen „Seed Phrase“ in ein neues oder bestehendes Krypto-Wallet wird der Handybildschirm beispielsweise über Kameras an der Decke ausgespäht.
„Die Krypto-Vermögenswerte gehören ihnen dann nicht mehr ganz alleine“, sagte Kaintz. Es brauche kein zweites Treffen, „die Täter haben schon alles“ und können das Krypto-Konto leer räumen. Das sei nicht einmal ein „Hack“, betonte der Kriminalist. „Zu guter Letzt kann man Ihnen nur wünschen, dass es nicht Ihre wirtschaftliche Existenz bedeutet.“ Daher sollten niemals Wallets im Beisein anderer Menschen aufgesetzt werden. „Lassen Sie sich nicht überreden, ein neues Wallet zu installieren“, warnte Kaintz. „Ein seriöser Geschäftspartner verlangt auch niemals ein bestimmtes Wallet.“
Es sollte auch niemals Videotelefonie bei Krypto-Angelegenheiten oder eine Testüberweisung gemacht werden. „Scannen Sie niemals QR-Codes für Wallet-Adressen, denen sie nicht zu 100 Prozent vertrauen“, betonte der Experte. „Geben Sie Ihr Smartphone niemals aus der Hand“, meinte Kaintz, obwohl das eigentlich „klar sein“ sollte, aber dennoch gemacht wird, weil so viel Vertrauen geschaffen wird im Vorfeld, erläuterte er.
100.000 Euro Schadenswiedergutmachung
Der im Juli 2024 in Mailand gefasste Haupttäter hatte bereits 2009 und 2011 Verurteilungen und Gefängnisstrafen im Ausland ausgefasst. 2016 gab es zudem Ermittlungen gegen ihn wegen schweren Raubes von 80.000 Euro an einer Steirerin, wo es jedoch zu keiner Verurteilung kam. Im Zuge der Gerichtsverhandlung in St. Pölten leistete der Beschuldigte 100.000 Euro Schadenswiedergutmachung an eines seiner Opfer, was strafmildernd gewertet wurde. Zwei Mittäter des 39-Jährigen sind bekannt, nach dem Niederländer und einem Serben wird gefahndet, berichtete Szaga-Doktor.
Auch Martin Roudny vom Landeskriminalamt Wien freute sich über den Ermittlungserfolg der Rip-Deal-Unit. Seit dem Jahr 2020 haben die Sonderermittler 102 Rip-Deal-Fälle mit einer Gesamtschadenssumme von 25 Millionen Euro geklärt, erläuterte er. Nun gebe es eine „besondere Entwicklung im Bereich der Krypto-Kriminalität“. Die Dunkelziffer dieser Straftaten falle immer höher aus, sagte auch Goldnagl. Viele Opfer schrecken vor einer Meldung bei der Polizei zurück, weil die Täter teilweise auch eine Tatbeteiligung der Opfer ins Spiel bringen, wie die Übergabe von Falschgeld im Ausland, so der Leiter der Rip-Deal-Unit.