707 Wildbienen-Arten gibt es in Österreich – noch. Denn die Vielfalt dieser für die Bestäubung der Pflanzen enorm wichtigen Insekten sei „stark gefährdet“, warnt der Wildbienen-Experte Heinz Wiesbauer in der Neuauflage seines Buchs „Wilde Bienen“, in dem er die faszinierenden Lebensweisen dieser Insekten vorstellt. Neben den massiven Verlusten von Lebensräumen, intensiver Landbewirtschaftung und Spritzmitteleinsatz macht der Klimawandel den Wildbienen „extrem zu schaffen“.
In den vergangenen Jahrzehnten sind 37 Wildbienen-Arten in Österreich ausgestorben. Würde man die Kriterien der Roten Liste heranziehen, wären rund die Hälfte aller Arten in irgendeiner Art gefährdet, betonte der Landschaftsökologe und -planer, der 2017 die erste Ausgabe seines mehr als 500 Seiten umfassenden, reichbebilderten Werks zu dieser Hautflügler-Ordnung veröffentlicht hat.
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Während die Neuausbreitung von Arten recht einfach nachvollziehbar sei, bekomme man mangels systematischer Erhebungen „das Verschwinden von Arten kaum mit. Populationen werden kleiner und kleiner und verschwinden dann plötzlich“, sagte Wiesbauer zur APA.
Mit verantwortlich dafür ist der Klimawandel. Angesichts einer in südlichen Ländern höheren Artenvielfalt, könnte man meinen, dass die meisten Arten von einem wärmeren Klima profitieren könnten. Doch das Gegenteil ist der Fall – aus unterschiedlichen Gründen für alpine und Tiefland-Arten.
Die Gebirgsarten sind mit einem prognostizierten Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts konfrontiert, der einem Höhenunterschied von 300 Metern entspricht. Doch die oberhalb der Waldgrenze verbreiteten Bienenarten können kaum noch nach oben ausweichen, da die Flächen Richtung Gipfel immer kleiner werden. Davon ist etwa die Alpenhummel (Bombus alpinus) betroffen, die laut Wiesbauer derzeit nur in Lagen über 2.200 Meter vorkommt. „Verlagert sich die Untergrenze des Lebensraums von 2.200 auf 2.500 Meter Seehöhe, nimmt die Fläche der alpinen und hochalpinen Biotope in den Alpen um 50 Prozent ab“, hat Wiesbauer anhand von GIS-Rasterzellenauswertungen für den gesamten Alpenraum berechnet.
Im Tiefland blühen durch steigende Temperaturen zunehmend bestimmte Pflanzen zu einem anderen Zeitpunkt als die darauf spezialisierten Wildbienenarten schlüpfen und aktiv sind. Durch den Hitzestress würden sich zudem Blüten häufig nicht richtig entfalten, wodurch das Pollen- und Nektarangebot für die Bienen eingeschränkt ist. Weil etwa die Skabiosen-Blüten im Frühsommer meist vertrocknen, sind die Bestände der darauf spezialisierten Hosenbiene (Dasypoda argentata) massiv eingebrochen und in Österreich vermutlich schon ausgestorben, so Wiesbauer.
Extreme Hitze zwinge die Bienen zudem zu längeren Pausen über die Mittagszeit, wodurch sich die Zeit für Nestbau und Provianteinlagerung verringert. Auch die zunehmende Entfernung zwischen Nistplatz und Futterpflanzen durch das stetig abnehmende Blütenangebot stellt die üblicherweise standorttreuen Wildbienen vor Probleme. Verschärft werde dies durch die zunehmende Konkurrenz durch die Honigbiene aufgrund der boomenden Imkerei in den vergangenen Jahren.
Natürlich gebe es auch Profiteure der höheren Temperaturen und bestimmte Arten können ihr Areal erweitern oder ihre Bestände vergrößern. „Allerdings bekommen wir damit Allerweltsarten, während wir gleichzeitig hoch spezialisierte Arten verlieren“, kann sich Wiesbauer einen Seitenhieb auf die Anfang des Jahres präsentierte, vom Landwirtschaftsministerium beauftragte Insektenstudie nicht verkneifen. Diese hatte die „in Summe überwiegend vorteilhaften Auswirkungen auf Artenreichtum und Bestände der untersuchten Insektengruppen“ durch die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre in Österreich hervorgehoben, was nicht nur bei Wiesbauer für Kopfschütteln gesorgt hat.
In seinem Buch, das auch 510 Artenporträts enthält, gibt der Experte auch zahlreiche Tipps, wie man Wildbienen durch ein vielfältiges und kontinuierliches Blütenangebot sowie geeignete Nistplätze fördern kann – „mit einfachen Maßnahmen kann man viel bewirken“. So verstehe er etwa nicht, „dass alljährlich Anfang Mai vom Bodensee bis zum Neusiedlersee jede Böschung in Österreich gemäht wird“. Durch kleinräumigeren und differenzierten Schnitt könnte man das Blüten- und damit das Nahrungsangebot für die Wildbienen verbessern. Steilwände, unbefestigte Erdwege, ja selbst Lücken im Rasen würden Nistmöglichkeiten bieten. Und selbst im gepflegten Garten könne man mit ein paar alten, in den Rasen gesteckten Markstängeln Brutplätze anbieten.