Nach dreimonatiger Unterbrechung wegen der Jahrhundertflut im Tullnerfeld steht die „neue“ Westbahnstrecke in Niederösterreich vor dem Comeback. Ab Sonntag werden wieder Railjets mit bis zu 230 km/h unterwegs sein und dabei auch durch den Tunnel Atzenbrugg fahren. Das angekündigte „Weihnachtswunder“ werde Wirklichkeit, betonten die ÖBB am Freitag. Medienvertreter durften sich bei einer Fahrt mit dem sogenannten Railchecker-Zug überzeugen.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte, sie stehe „mit ganz großer Freude“ in Tullnerfeld „an der Hauptschlagader des österreichischen Bahnverkehrs“. Der Ausfall aufgrund des Hochwassers sei ein „Kollaps“ gewesen. Nach wochenlanger und schwieriger Arbeit sei die „rasante Verbindung“ nun wieder zur Verfügung, wofür vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ÖBB der Dank gelte.
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Von einem „mehr als erfreulichen Tag vor allem für tausende Pendler“ sprach Niederösterreichs LH-Stellvertreter Verkehrslandesrat Udo Landbauer (FPÖ). „Wir haben erlebt, wie schwer es ist, die Bahn zu ersetzen.“ Die Mannschaft der ÖBB habe in den vergangenen Wochen „Unvorstellbares geleistet“.
Wieder volles Fahrplanangebot auf Weststrecke
Pendlerinnen und Pendler im Land würden aufatmen, „dass die Operation am Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Niederösterreich vorerst gelungen ist“, hielt Landtagsabgeordneter Florian Krumböck in Vertretung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) fest. „Gut, dass ab 15. Dezember auf der Weststrecke wieder Normalbetrieb herrscht. Das ist gerade kurz vor dem intensiven Weihnachtsreiseverkehr eine ganz wichtige Botschaft“, betonte Mikl-Leitner in einer Aussendung. Sie sprach im Rückblick von „vielen Wochen Ausnahmezustand“.
An einem Freitag, den 13., sei die Region Tullnerfeld hart getroffen worden, erinnerte ÖBB-Chef Andreas Matthä. Damit seien nicht nur die ÖBB gemeint, sondern auch tausende Haushalte und Betriebe, die durch die Flut ihr Hab und Gut verloren hätten. Der nunmehrige Freitag, der 13., sei ein „Glückstag“, an dem die Wiedereröffnung der Weststrecke verkündet werden dürfe. Matthä richtete dabei auch ein „Danke an die Fahrgäste“ für deren Geduld. Zudem verwies er auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das „Weihnachtswunder“ samt Rückkehr zur Höchstgeschwindigkeit wahr werden ließen. „Mit Sonntag werden wir wieder das volle Fahrplanangebot auf der Weststrecke anbieten.“
Neuerliche Sperre von 12. Mai bis 5. Juni 2025
Die Kosten für die Reparaturen an der Infrastruktur nach der Flut werden sich Angaben vom Freitag zufolge im prognostizierten Rahmen von etwa 100 Millionen Euro bewegen. Eine genaue Abrechnung werde es nach Abschluss aller Arbeiten im Sommer 2025 geben.
Möglich gemacht habe das „Weihnachtswunder“ auch, dass Ersatzteillager in ganz Österreich geleert worden seien, unterstrichen die ÖBB. Weil nicht alle notwendigen Teile lieferbar gewesen seien, gebe es – unter Einhaltung der Sicherheitsstandards – auch einige provisorische Lösungen. Deshalb muss – wie bereits angekündigt – im kommenden Jahr die „neue“ Weststrecke noch einmal für knapp vier Wochen gesperrt werden. Fernverkehrszüge werden von 12. Mai bis 5. Juni wie schon in den vergangenen Wochen durch den Wienerwald über die „alte“ Verbindung umgeleitet, was eine Verlängerung der Fahrzeit um knapp 30 Minuten bedeutet.
Wasser abgepumpt, Kabel neu verlegt
Bei den Instandsetzungsarbeiten nach der Jahrhundertflut wurden laut ÖBB-CEO Matthä nicht nur unzählige Kubikmeter Wasser abgepumpt und Schlamm abtransportiert, sondern u.a. auch 16 Kilometer Kabel für die Stromversorgung und 1,4 Kilometer Hochspannungsleitungen (10 KV-Leitung) ausgetauscht, 60 Kilometer Lichtwellenleiter-Fasern neu verlegt, vier Kilometer Handlauf für die Notbeleuchtung ebenso wie Zugsicherungssysteme erneuert sowie Brandmeldeanlagen, Notrufsäulen und Stromversorgung für die Feuerwehr ersetzt. Hinzu kamen Reparatur und Austausch diverser Komponenten an Weichen sowie das Schleifen von Schienen.
Besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurde der Tunnel Atzenbrugg, wozu auch Dammbrüche an der Perschling beigetragen hatten. Das Handy-Netz in dem 2,5 Kilometer langen Abschnitt der „neuen“ Weststrecke ist ebenfalls wiederhergestellt.
Die ersten Züge, die am Sonntag wieder durch das Tullnerfeld unterwegs sein werden, sind die Westbahn WB 998 um 0.08 Uhr ab Wien Westbahnhof und der Railjet RJ 820 der ÖBB um 0.28 Uhr ab Wien Hauptbahnhof. Neun Tage vor dem Heiligen Abend tritt zudem der Fahrplanwechsel in Kraft. Wieder aufgenommen wird auch der durchgehende Verkehr zum Flughafen Wien in Schwechat. In den vergangenen Wochen ist ein Shuttle im 30-Minuten-Takt ab Wien Hauptbahnhof angeboten worden.