Viel ist in Sachen Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung in der Gesellschaft seit der Gründung der Lebenshilfe in Oberösterreich vor 55 Jahren weitergegangen, jedoch ist die landesweit größte soziale Organisationen mit ihren Plänen längst noch nicht am Ziel. Eine zentrale Forderung lautet: „Gehalt statt Taschengeld“, dringend benötigt wird zudem ein Pflegewohnhaus für extrem pflegebedürftige Bewohner.
Angehörige von Menschen mit Beeinträchtigung haben die Organisation am 21. Oktober 1969 gegründet, mittlerweile hat der Verein 2.500 Mitglieder und betreut mit 1.700 Mitarbeitern in mehr als 100 Einrichtungen knapp 2.000 Bewohner und Beschäftigte.
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Fähigkeiten, Ressourcen und Träume der Menschen mit Beeinträchtigung im Mittelpunkt
„Vor 55 Jahren herrschte in den Wohnhäusern und Werkstätten der Lebenshilfe ein erzieherischer Ansatz, heute orientiert sich die Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung am personzentrierten Ansatz“, betont Stefan Hutter, Präsident der Lebenshilfe OÖ, am Donnerstag im Zuge einer Pressekonferenz in Linz.
Sprich, es geht darum, jede Person mit ihren Fähigkeiten, Ressourcen und Träumen in den Mittelpunkt zu stellen und für sie eine größtmögliche Selbstbestimmung zu realisieren. Daher gibt es in den über ganz Oberösterreich verteilten Lebenshilfe-Einrichtungen auch 380 Interessenvertreter.
Gehalt auch als Zeichen der Wertschätzung
Die beiden Gesamtsprecher, Roland Öhlinger und Karin Riegler, trugen daher auch ihr größtes Anliegen vor: Sie wünschen sich für alle, die in einer Lebenshilfe-Werkstätte oder in einer sogenannten Integrativen Beschäftigung in einem Unternehmen einer Arbeit nachgehen, ein Gehalt, anstelle eines Taschengeldes.
Öhlinger, der trotz seiner Behinderung bei Kellner & Kunz Vollzeit beschäftigt ist und dort gewissenhaft Schrauben sortiert, verleiht der Forderung Nachdruck: „Ein Taschengeld bekommen Kinder, aber ich bin ein Erwachsener.“
Es sei auch ein Zeichen der Wertschätzung, ein Gehalt zu bekommen. Unabhängig von den rechtlichen Folgen, denn nach wie vor sind Menschen mit Beeinträchtigung bei den Eltern mitversichert, diese sind wiederum auch bis zu ihrem Ableben unterhaltspflichtig.
Kooperationen mit mehr als 100 Unternehmen
Erfreulich sei, dass die Lebenshilfe bereits mit mehr als 100 Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen Kooperationsvereinbarungen habe, wodurch ein Drittel der 1.500 Menschen mit Beeinträchtigung, die in der Lebenshilfe einer fähigkeitsorientierten Beschäftigung nachgehen, tatsächlich in einem Betrieb eingesetzt werden. Das kann von wenigen Stunden bis zu einer Vollzeitverpflichtung gehen, schildert Lebenshilfe-Geschäftsführer Gerhard Scheinast.
Annecatrien Niemeijer-Berenst, Market Managerin IKEA Linz Haid, betont wie wichtig dem Unternehmen Inklusion ist. Vier Prozent der IKEA-Beschäftigten hätten trotz ihrer Beeinträchtigung einen ganz normalen Arbeitsvertrag, hinzukommen zwölf Personen, die von der Lebenshilfe betreut einer Integrativen Beschäftigung nachgehen.
Das heißt, im Wochentakt abwechselnd sind sechs Menschen mit Beeinträchtigung der Lebenshilfe mit einem Betreuer bei IKEA im Einsatz. „Die Beschäftigten der Lebenshilfe werden von den IKEA-Mitarbeitern als Teil des Teams gesehen und haben gute Kontakte im Store geknüpft, sie gehen auch gemeinsam zum Mittagessen“, so Niemeijer-Berenst.
„Uns ist wichtig, dass alle von Anfang an dazugehören. Das bedeutet, die Strukturen so zu ändern, dass Vielfalt ohne Einschränkungen gelebt werden kann“, sagt Marlene Foller, Unit People & Culture Manager bei IKEA Linz Haid. Die Zusammenarbeit sei sehr unkompliziert und auf Augenhöhe mit der Lebenshilfe, die Vorschläge einbringen kann, wenn etwas einfacher oder besser gemacht werden könne.
Pflegewohnhaus für 30 Personen dringend nötig
Ein Thema, das die Lebenshilfe angesichts des Älterwerdens ihrer Bewohner massiv beschäftigt, ist die Betreuung von extrem Pflegebedürftigen. „Wir benötigen ein Pflegewohnhaus für rund 30 Personen in zentraler Lage, am besten in Wels, um die Menschen auch in ihrem letzten Lebensabschnitt betreuen zu können“, sagt Hutter.
Denn eine 24-Stunden-Betreuung in den bisherigen Lebenshilfe-Einrichtungen sei nicht möglich. Intensive Pflegefälle würden bereits jetzt viel Kapazität binden, die dann an anderer Stelle für die anderen Bewohner fehle.
Man sei in konstruktiven Gesprächen mit der Sozialabteilung des Landes. Die Errichtung eines derartigen Projekts würde etwa zwei bis 2,5 Millionen Euro betragen, viel mehr machten naturgemäß die Kosten des laufenden Betriebs über die Jahre aus.
Von Michaela Ecklbauer