Demografische Herausforderungen in der Betreuung und Pflege erfordern eine stetige Weiterentwicklung des Angebots. Die gemeinsam vom Sozialressort des Landes, dem oö. Gemeindebund und dem oö. Städtebund erarbeitete Pflegestrategie sieht unter anderem den Ausbau von Innovation und Digitalisierung vor.
Im Oö. Pflegetechnologiefonds fördert die Stadt Linz vier Projekte. Eines davon, das Exoskelett-Projekt, zielt darauf ab, Pflegekräfte im mobilen und stationären Bereich nachhaltig zu entlasten und körperliche Belastungen zu reduzieren.
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Mit dem Projekt zur Weiterentwicklung von Exoskeletten der Volkshilfe und der Firma awb GmbH fördert die Stadt Linz einen wichtigen Schritt in Richtung technikgestützter Gesundheitsversorgung. Die Realisierung ist mit vier weiteren regionalen Trägern sozialer Hilfe (SHV Freistadt, SHV Eferding, SHV Kirchdorf und Stadt Steyr) vorgesehen.
„Exoskelette sollen es dem Pflegepersonal ermöglichen, die Bewohner gelenksschonend zu heben oder umzulagern. Insbesondere auch für weibliche Mitarbeiter in den städtischen Pflegeheimen wird dies zu bedeutenden Erleichterungen im Pflegealltag führen“, betont Vizebürgermeisterin Karin Hörzing.
Die Volkshilfe Gesundheits- und Soziale Dienste GmbH (VH GSD) beschäftigt zirka 400 mobile Pflege- und Betreuungsmitarbeiter in zwölf verschiedenen Bezirken in Oberösterreich und versorgt rund 3.000 Menschen jährlich in ihrem gewohnten Lebensumfeld.
Entwicklung eines Prototyps für mobile Dienste
Ziel des Projektes ist es, einen Prototyp (Exoskelett) für den Einsatz unter den besonders herausfordernden Arbeits- bzw. Rahmenbedingungen der Mobilen Dienste zu entwickeln. Sollte sich dieser im Praxisalltag bewähren, kann auch von einer erfolgreichen Implementierung im stationären Bereich (Alten- und Pflegeheime) ausgegangen werden.
Die Entwicklung derartiger mechanischer Hilfssysteme für Beschäftigte in den Betreuungs- und Pflegeberufen ist essenziell, um berufsbedingte Belastungen des Stützapparates zu reduzieren und letztlich die Berufsausübung auch im fortgeschritteneren Alter bzw. mit entsprechendem Beschäftigungsausmaß zu ermöglichen.
Das Projekt der Volkshilfe soll in der Pflege dazu beitragen, die Gesundheit der Pflegekräfte zu fördern und ihre Arbeitsbedingungen, vor allem in der mobilen Pflege und Betreuung, zu verbessern.
„Ein großer Teil unserer Mitarbeiter in der mobilen Pflege und Betreuung ist über 50 Jahre alt und wird bis zum Pensionseintritt im Beruf bleiben. Erkrankungen des Stützapparates sind weit verbreitet, und die Betreuung sowie Pflege zu Hause wird zukünftig an Bedeutung gewinnen. Gerade in den oft engen Wohnverhältnissen stoßen herkömmliche Hebehilfen an ihre Grenzen. Dank des Pflegetechnologiefonds können wir nun gemeinsam mit der Firma awb ein Projekt realisieren, in dem die Praxis ihre wertvollen Erfahrungen einbringt, um das Exoskelett so weiterzuentwickeln, dass es als echte Unterstützung wahrgenommen wird“, sagt Waltraud Schwarz, Bereichsleiterin der Volkshilfe OÖ.
Stadt Linz übernimmt Kosten von rund 21.500 Euro
Die gesamten Projektkosten belaufen sich auf rund 215.000 Euro. Davon werden 50 Prozent durch das Land Oberösterreich finanziert. Die restlichen 50 Prozent werden zu gleichen Teilen durch die Stadt Linz, den SHV Freistadt, den SHV Eferding, den SHV Kirchdorf und der Stadt Steyr getragen.
Die Stadt Linz übernimmt dementsprechend rund 21.500 Euro der Kosten für das Projekt. Zwei Drittel der Fördersumme werden zu Projektstart ausbezahlt, das restliche Drittel nach Projektabschluss. Die Projektdauer beläuft sich auf maximal 24 Monate, wobei ein Bericht zur Halbzeit, sowie ein fachlicher Endbericht verpflichtend sind.
Aus industriellen Arbeitsbereichen zur Anwendung in der Pflege
Exoskelette haben sich bereits in verschiedenen Arbeitsbereichen als hilfreiche Technologie beim Heben bewährt. Dort, wo die physische Belastung hoch ist, unterstützen sie die Mitarbeiter bei der Verrichtung der Arbeit. Dies ist entscheidend, um die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten.
Die derzeitigen Exoskelette stoßen jedoch in der Pflege auf wenig Akzeptanz. Ihre sperrige Konstruktion, der zeitliche Aufwand beim Anziehen und die unflexible Bauweise machen sie in vielen Situationen unpraktisch und hinderlich. In der mobilen Pflege, wo Flexibilität und Bewegungsfreiheit entscheidend sind, sind diese Exoskelette derzeit nicht einsetzbar. Pflegekräfte benötigen Lösungen, die sich nahtlos in ihre Arbeitsabläufe integrieren lassen.
Das aktuelle Projekt wird in Kooperation mit dem Familienunternehmen awb GmbH mit Sitz in Stadl-Paura (OÖ) durchgeführt, das über langjährige Erfahrungen im Vertrieb von Exoskeletten verfügt. Basierend auf einer arbeitsmedizinischen Analyse, soll ein am Markt neues, innovatives und benutzerfreundliches Exoskelett für den Pflegebereich entwickelt werden.
Das Exoskelett soll aus einem textilen Ober- und Unterteil, das wie Unterwäsche getragen wird, und einer Technikeinheit, die am Ober- und Unterteil befestigt wird, bestehen. Die Textilien haben unterschiedliche Festigkeiten, um Haltung und Durchblutung zu verbessern, und enthalten Textil- oder Kunststoffbänder, um Kräfte umzuleiten und maximalen Komfort zu bieten. Die Textilelemente sind in verschiedenen Konfektionsgrößen erhältlich, um eine optimale Passform zu gewährleisten.
Die Technikeinheit umfasst Elektronik mit Bluetooth-Schnittstelle, Kraftmesssensor, Gyroskopen und einem Servomotor. Bei definierter Haltung sendet die Elektronik ein Signal an die Motorelektronik, um Elastanbänder zu straffen oder zu lockern. Standard-Servomotoren haben eine Zugkraft von bis zu 100 Kilogramm und wiegen etwa 250 Gramm.
Erprobung in einer Pilotphase
Da die Bedürfnisse von künftigen Anwendern nicht homogen sind, ist es sinnvoll, diese direkt in den Entwicklungsprozess einzubeziehen und deren Feedback aktiv zu berücksichtigen. Geplant ist daher, dass das entwickelte Exoskelett von mehreren Personen mit unterschiedlichen Merkmalen getestet wird.
Konkret sollen in die Pilotphase zirka 10-15 Mitarbeiter der mobilen Dienste der Volkshilfe einbezogen werden, wobei bei der Auswahl der Testpersonen besonderer Wert auf größtmögliche Heterogenität hinsichtlich Alter, Geschlecht, körperlicher Konstitution, Wohnort (Stadt, Land) und Technologieaffinität gelegt wird.