Als „großes Missverständnis“ hat sich der vorübergehende Verlust eines Imitats des wertvollen Tassilos-Kelchs in der Pfarre Sandl jetzt herausgestellt. Nach dem rund 5.000 Euro teuren Kelch-Imitat, das immer bei der Sonntagsmesse im Einsatz ist, gab es eine Kulturgutfahndung.
Denn es wurde seitens der Pfarre Anzeige bei der Polizei erstattet, der Kelch sei am 22. September in einem unbeobachteten Moment vom Altar gestohlen worden, hieß es.
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Wahrscheinlicher ist nun, dass der Tassilo-Kelch im Zuge der Kirchenrenovierung bereits verpackt und ins Pfarrheim gebracht wurde und auf diese Weise als „verschwunden“ galt.
Pfarrer Raphael Golianek bestätigte im Gespräch mit dem VOLKSBLATT, dass sich die Sache in Wohlgefallen aufgelöst hat. „Der Kelch war die ganze Zeit in der Pfarrkanzlei weggesperrt, alle liturgischen Utensilien sind da“, so der Pfarrer.
Der Kelch ist wieder aufgetaucht und kann sonntags bei der Messe, die während der Zeit der Kirchenrenovierung im Pfarrheim abgehalten wird, wieder zum Einsatz kommen.
Bedeutendster Kunstschatz des Stiftes Kremsmünster
Der Tassilokelch – oder nach der neueren Forschung Tassilo-Liutpirc-Kelch – ist der bedeutendste Kunstschatz des Stiftes Kremsmünster.
Gestiftet wurde der Kelch laut Inschrift vom Bayernherzog Tassilo III. und seiner Frau Liutpirc – nach den Stiftern ist der Kelch auch benannt. Wann und wozu das Kunstwerk in Auftrag gegeben wurde, lässt sich nur erschließen.
Liest man die Inschrift (Tassilo Dux Fortis – Liutpirc Virga Regalis) einmal anders, ergeben sich nicht nur die lateinische Zahl 781 – vermutlich das Jahr seiner Entstehung – sondern auch zwei Namen: Virgilius und Rodpergto (= Rupert), die auf Salzburg verweisen. Der prächtige Kelch ist wohl für die Liturgie im damals neu gebauten Salzburger Dom angefertigt worden.
Tassilo kam aus Bayern, seine Frau stammte aus Norditalien, Virgil war Ire. Diese europäische Mischung spiegelt sich auch in den Verzierungen und Mustern am Kelch wider. Norditalienische Handwerker haben ihn wahrscheinlich in Salzburg geschaffen, von wo er nach dem Sturz Tassilos im Jahr 788 nach Kremsmünster an der damaligen Ostgrenze des Reiches gelangt sein dürfte.