Soll das sogenannte Kleine Glücksspiel in Oberösterreich weiter legal bleiben oder verboten werden? Damit beschäftigt sich ein Ausschuss im oö. Landtag. Im VOLKSBLATT-Interview erläutert der Suchtmediziner Primar Kurosch Yazdi, welche Nachteile ein Verbot hätte und warum Online-Anbieter, die in Österreich keine Lizenz haben, blockiert werden sollten.
VOLKSBLATT: In Oberösterreich ist angesichts von Schwachstellen beim Spielerschutz eine Diskussion um das Kleine Glücksspiel entstanden. Was würde aus Sicht des Suchtmediziners ein Verbot – wie von den Grünen angestrebt – bewirken?
Der grundsätzliche Gedanke eines Verbotes ist nachvollziehbar. Denn bei allen Süchten gilt: je verfügbarer die Droge, desto mehr Süchtige gibt es. Mit dieser Grundidee kam es vor einigen Jahren in Wien zu einem Verbot des Kleinen Glücksspiels, was aus medizinischer Sicht ein mutiger Schritt war. Leider hat sich dann aber gezeigt, dass es außer kurzfristigen sonst kaum positive Effekte in Bezug auf Glücksspielsucht gab. Denn die Spieler sind auf andere Angebote ausgewichen: Teils in den illegalen Bereich im Sinne von versteckten Automaten, teils nach Tschechien mit organisierten Fahrten, aber zum größten Teil auf online Glücksspiel-Angebote oder in den Bereich des Wettsports, welcher leider deutlich weniger reguliert ist. Von dieser Erfahrung ausgehend, würde wahrscheinlich ein Verbot in OÖ aus medizinischer Sicht kaum Wirkung haben. Gegen ein Verbot spricht die Tatsache, dass online-Angebote ein höheres Suchtpotenzial haben und weit weniger reguliert sind, wie das legale Kleine Glücksspiel in OÖ.
Wäre es aus Sicht des Spielerschutzes sinnvoll, die vielen Online-Spielanbieter, die über keine Lizenz in Österreich verfügen, zu blockieren, wie es andere Staaten – etwa die USA – machen?
Ja, ganz sicher. Wir sehen sowohl in Österreich als auch international, dass immer weniger offline gespielt wird, also in Casinos oder mit Automaten in der Gastronomie, und immer mehr online Glücksspiel oder Wettsport betrieben wird. An der Ambulanz für Spielsucht Linz sehen wir diesen Trend seit vielen Jahren: Ein immer größerer Teil unserer glücksspielsüchtigen Patienten spielt ausschließlich online. Und gerade im Internet gibt es unzählige Glücksspiel-Angebote, die rein rechtlich nicht da sein dürften und leider auf jeglichen Spielerschutz verzichten.
Ein bis zwei Prozent der Österreicher gelten als krankhaft spielsüchtig, können ihr Spielverhalten also zum eigenen Schaden und ihrer Angehörigen nicht mehr kontrollieren. Wie setzt man in der Suchttherapie an und wie hoch ist die Erfolgsrate?
Grundsätzlich ist die Behandlung einer Verhaltenssucht wie z. B. Glücksspielsucht in erster Linie eine psychotherapeutische Angelegenheit. Es geht also vorwiegend um Gesprächstherapie und nicht um eine medikamentöse Behandlung. Diese Psychotherapie kann als Einzel- oder Gruppentherapie erfolgen, wobei international eine Gruppentherapie als zielführender angesehen wird. Die Themen, die in den wöchentlichen Gruppensitzungen besprochen werden, sind wie bei jeder Suchttherapie darauf ausgelegt, die individuellen Gründe für die Entstehung der Sucht zu verstehen, die Motivation für eine Verhaltensänderung zu steigern, konkrete Maßnahmen zur Konsumreduktion oder Abstinenz und Strategien zur Rückfallvermeidung zu entwickeln.
Ein Drittel wird rückfällig
Der Vorteil der Gruppentherapie ist, dass die Betroffenen von den Erfahrungen der jeweils anderen viel lernen können und sich als Gemeinschaft auch gegenseitig motivieren. Der/die Therapeut/ in begleitet diesen Prozess und gibt fachliche Inputs.
Bezüglich Erfolgsrate gilt bei allen Suchtbehandlungen eine sogenannte Drittel-Regel: Nach dem Behandlungsabschluss schaffen es etwa ein Drittel, langfristig abstinent zu bleiben oder nur sehr wenig zu konsumieren bzw. zu spielen. Ein weiteres Drittel schafft einen mittelfristigen Erfolg (6 bis 12 Monate). Und ein Drittel wird leider rasch rückfällig.
Die Zahl der Online-Spieler steigt, wobei deren Alter sinkt. Welche Konsequenzen sollte Ihrer Meinung nach daraus der Gesetzgeber ziehen?
Langfristig gesehen werden die Offline-Angebote für die Entwicklung einer Glücksspielsucht keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielen. Wenn wir die Menschen schützen wollen, müssen wir unseriösen und unlizenzierten Online-Angeboten einen Riegel vorschieben. Zusätzlich zielen leider die Online- Glücksspiel-Angebote in besonderer Weise auf junge Menschen ab. Für eine gute Prävention bräuchte es also deutlich mehr Aufklärung in verschiedenen Bildungseinrichtungen und ein strenges Werbeverbot für Online-Glücksspiel und -Wettsport.
Sportwetten unterliegen in Österreich keinen strengen gesetzlichen Regelungen wie das Spielen an Automaten. Ist das aus Sicht der Suchtmedizin zu vertreten?
Nein, aus medizinischer Sicht ist kein Unterschied zwischen Glücksspiel und Wettsport, beide haben ein Suchtpotenzial. Die ursprüngliche Idee, dass Wettsport ein „Geschicklichkeitssport“ wäre, ist wissenschaftlich längst widerlegt. Somit sollte, wie in den meisten EU-Staaten, auch der Wettsport unter das weitaus strengere Glücksspielgesetz fallen, was derzeit leider in Österreich nicht der Fall ist.
Mit Primar KUROSCH YAZDI sprach Heinz Wernitznig