Eigentlich gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Doch in den Kreisen, die in westlichen Rechtsnormen Satans Werk sehen, steht Hadi Matar als Täter fest. Als einer freilich, der keine Schuld auf sich geladen, sondern Ruhm erworben hat.
Nicht nur Irans Medien feiern die Messerattacke auf Salman Rushdie mit Schlagzeilen wie „Satan auf dem Weg zur Hölle“ oder „Die Hand, die den Hals des Gottesfeindes zerriss, gehört geküsst“.
Auf Twitter huldigen muslimische Fanatiker dem mit verfälschten Fotos von der Festnahme zur dschihadistischen Ikone stilisierten 24-Jährigen. Der arabische Hashtag „Hadi Matar repräsentiert mich“ ist das muslimische Pendant zum „Je suis Charlie“ nach dem Massaker in der Pariser Charlie-Hebdo-Redaktion im Jänner 2015. Nur halt mit dem feinen Unterschied, dass es keine Identifikation mit den Opfern, sondern eine mit dem Täter ausdrückt.
„Herzlichen Glückwunsch, Gott segne Dich für diese Arbeit“ heißt es unter dem Hashtag. Ein Ali A. twittert: „Friede sei mit demjenigen, der leise Stichwunden auf Satans Körper regnete.“ Einen anderen Matar-Fan freut „am
meisten, dass der Vollstrecker ein junger libanesischer Schiit ist, auf den ich stolz bin und den ich beneide“. Auch Warnungen werden verbreitet: „Wer es wagt, den Islam und Mohammed zu beleidigen, muss mit einem ähnlichen Schicksal rechnen. Es ist kein Terrorismus, es ist heroische Verteidigung.“
Einen Tweet, der die Terrornews als „größte Frohbotschaft des Jahrhunderts“ bejubelt, blockt Twitter. Doch nur wenige solcher Gewaltverherrlichungen werden mit dem Hinweis auf einen Verstoß gegen die Twitter-Regeln ausgesondert.
Die Schweizer Menschenrechtsaktivistin Saida Keller-Messahli ist „erschüttert“ angesichts des im Web verbreiteten Jubels über das Rushdie-Attentat. „Von so viel Rachelust und Hass wird einem schlecht“, so die Islamismus-Expertin und Autorin zum VOLKSBLATT. „Die große Sympathie für den Täter ist erschreckend.“
Lautes Schweigen
Die dem Ansehen des Islam wohl abträgliche Begeisterung der Fanatiker ließe sich einfach neutralisieren — durch entsprechende Distanzierungen islamischer Autoritäten und Regierungen von der Tat und der Heroisierung des Messerstechers. Doch man hört nichts dergleichen. Nicht einmal das mit dem Iran verfeindete Saudi-Arabien nützt die Gelegenheit zur Verurteilung des Terrors mit Iran-Bezug. Bei Rushdie hat die ewige Rivalität zwischen Sunniten und Schiiten offenbar Pause.
Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) schweigt bislang. Derartiges als stille Zustimmung zu werten, verbietet freilich das Gebot der Unschuldsvermutung …