Anton Bruckner: TV-Film über das rätselhafte Genie

Filmemacher Thomas Macho präsentiert neue Filmdokumentaion zum 200. Geburtstag

Anton Bruckner ist heuer allgegenwärtig, am 6. September wird der neue TV-Film von Thomas Macho auf ORF 2 ausgestrahlt. © APA/BARBARA GINDL

Flusskrebse, die zu Beginn des Films wie Irrlichter mit aufgeklebten, brennenden Kerzen am Rücken nachts durch den Windhaager Friedhof im oberen Mühlviertel laufen und der Bevölkerung einen gewaltigen Schrecken vor spukhaften Geistererscheinungen einjagen. War es Bruckners böser Streich oder nicht und wenn ja, warum?

Diesem und vielen anderen spannenden Gerüchten und  Anekdoten über das rätselhafte Genie Anton Bruckner geht Filmemacher und Regisseur Thomas Macho in seiner jüngsten Dokumentation nach, die von ORF und ARTE für den anstehenden 200. Geburtstag in Auftrag gegeben wurde.

Lesen Sie auch

Macho folgt dem Komponisten in einem aufwändig und spannend gestalteten Filmporträt quer über alle Stationen von Bruckners Leben, beginnend in Ansfelden, dem Geburtsort, über Windhaag, Bad Kreutzen, St. Florian und Wien und zeichnet dabei einen mehr als widersprüchlichen Charakter nach, der sich einerseits aufgrund seiner konservativ religiösen Wurzeln und ländlichen Herkunft zeitlebens als Außenseiter und Sonderling fühlte, gleichzeitig als genialer Musiker und Komponist sehr wohl seinen überragenden Stellenwert einzuschätzen wusste.

Macho setzt dabei einen cleveren Kunstgriff ein, indem er den Autor und Josefstadt-Schauspieler Michael Dangl und die Musikjournalistin Marie König im Film auf eine gemeinsame Reise zu den Original-Schauplätzen schickt, um den rätselhaften Kern von Bruckners Wesen näher zu beleuchten.

Um dessen Widersprüchlichkeit greifbar zu machen, bedient sich Macho der Beschreibung zahlreicher Zeitzeugen aus authentischen Quellen, die im Film von Schauspielstars wie Martina Ebm, Wolfgang Hübsch, Fritz Karl und Erwin Steinhauer virtuos verkörpert werden.

Allen voran Brigitte Kren als Bruckners langjährige Haushälterin Katharina Kachlmayr, die über den ewig verliebten, aber erfolglosen Brautjäger einiges an intimen Details und Insiderwissen zu berichten weiß.

Der musikalische Part wird abgerundet durch Interviews mit hochkarätigen Bruckner-Spezialisten, wie etwa den beiden Dirigenten Franz Welser-Möst und Markus Poschner, die sein musikalisches Genie als Mischung aus Akribie, Perfektionismus, Selbstzweifel, Leiden und absoluter Gotteshingabe beschreiben, während der ehemalige Vorstand der Wiener Philharmoniker, Clemens Hellsberg Bruckner gar als Mondgestein bezeichnet, das plötzlich da war, seinerzeit fremd, verstörend, unbekannt und zugleich äußerst wertvoll und begehrt.

Für Norbert Trawöger, der für die musikalische Auswahl und künstlerische Beratung zeichnete, stellt sich Bruckner äußerst komplex dar, ein Vorbild an Resilienz, die es gerade in aktuellen gesellschaftspolitischen Krisenzeiten mehr denn je auszuüben gelte, so Trawöger bei der Vorpremiere im Linzer Moviemento-Kino.

Für Landeshauptmann Thomas Stelzer zeigt sich Anton Bruckner als vielschichtige Persönlichkeit, dessen Musik damals wie heute berührt und inspiriert, dessen musikalische Gabe zweifellos mit Nöten und tragischen Konsequenzen verbunden war, wie er in der Eröffnungsrede zur Filmpremiere betonte und dabei Thomas Macho für die Arbeit über den oberösterreichischen Komponisten dankte.

Macho hatte vier Jahre lang an dem Film gearbeitet und seine zwei Protagonisten Dangl und König ohne Drehbuch durch den Bruckner’schen Kosmos geschickt. Dabei war er zunächst unwissentlich in die Fußstapfen seines Onkels getreten, der 1974 zu Bruckners 150. Geburtstag ebenfalls eine Filmdokumentation gestaltet hatte.

Mit „Anton Bruckner – Das rätselhafte Genie“ ist zweifellos ein völlig neuer, hochinterressanter und spannender filmischer Zugang zu einem mehr als sperrigen Thema gelungen. Zu sehen ist die Dokumentation erstmals im TV am 6. September 2024 um 22:35 Uhr in ORF 2.

Von Barbara Duftschmid

Das könnte Sie auch interessieren