Ars Electronica endete mit einer Glass-Perle

Russell Davies beendete das heurige Ars Electronica Festival © APA/CHRISTIAN HERZENBERGER

Am Beginn steht überraschend Adalbert Stifters „Der Waldgänger“. Die Rezitation aus der Novelle des heimischen Biedermeieridols eröffnete am Sonntag das Abschlusskonzert der Ars Electronica 2024. Letztlich findet das Medienkunstfestival eben in Oberösterreich statt. Lokal verankert, international beachtet. Die Passage als Verbindung von OÖ und Böhmen/Tschechien war zugleich ein Gruß von Dirigent Dennis Russell Davies aus der neuen Homebase Brünn an den alten Homeground Linz.

Auch musikalisch beendete der einstige Linzer Chefdirigent mit seiner Filharmonie Brno in der durch ihren langen Nachhall gekennzeichneten Gleishalle der Postcity das heurige Festival mit drei böhmischen Stücken aus „Ma Vlast“ des Jahresjubilars Bedřich Smetana. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand dann aber doch eher die Österreich-Premiere von Philip Glass‘ „Mishima“-Klavierkonzert. Schließlich ist Russell Davies, der heuer seinen 80. Geburtstag feierte, ausgewiesener Kenner des Werks des US-Komponisten.

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Das gilt auch für Gattin Maki Namekawa, die als Pianistin für einige der bedeutendsten Einspielungen von Glass verantwortlich zeichnete. Entsprechend saß die gebürtige Japanerin nun am Soloinstrument des Klavierkonzerts, das auf der Musik zum gleichnamigen Film aus 1985 beruht. Glass hatte bei der Musik zum essayistischen Biopic über den japanischen Dichter Yukio Mishima einst die stilistische Entscheidung getroffen, gemäß der drei Stränge des Films auch drei musikalische Stile einzusetzen – vom Streichquartett über Streichorchester bis hin zum großen Klangkörper.

Diese Formpluralistik wird im Klavierkonzert nun zum großen symphonischen Klang nivelliert. Das Klavier ist bei dieser Transponierung dabei meist eher Tonalitätsgeber, weniger herausstechendes Soloinstrument. Und Namekawa nimmt ihren Part jazziger als bei früheren Interpretationen.

Begleitet wird das Konzert gemäß der Ars-Electronica-Tradition abermals durch Livevisualisierung von Cori O’Lan vulgo AEC-Chef Gerfried Stocker. Setzt der Medienkünstler bei Smetana auf hyperrealistische Landschaftsaufnahmen, die sich in einander schieben, tanzende Computerwesen und Bilder wie durch das Kaleidoskop betrachtet, dominieren bei Glass Fotografien und japanische Ikonografie.

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Das alles ist hochästhetisch, und doch stellt sich bei den aufwendigen Visualisierungen wie stets die Frage, wie sich deren Verhältnis zur Musik gestaltet. Wie sehr lenken die Bilder von den Klängen ab? Wie weit zwingt das Geschehen das Publikum, sich im Multitaskingoverkill auf eines der beiden Elemente zu fokussieren? Und wie sehr entsteht aus beidem ein Amalgam? Dass bei Smetana die Visualisierungen ob technischer Probleme teils ausfallen, bietet dem Hirn jedenfalls die Möglichkeit durchzuschnaufen.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

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