„Brückenschlag zur tiefsten Herzkammer von Bruckner“

Im Alten Linzer Dom findet am Freitag mit der Uraufführung der Oper „Der Findling“ einer der Höhepunkte des Brucknerjahres statt

In der Jahresmitte steuern die Brucknerfeierlichkeiten zum 200. Geburtstag in Oberösterreich einem Höhepunkt zu. Am Freitag, 7. Juni, 20.30 Uhr, feiert ein Auftragswerk zum Jahresregenten seine Uraufführung in einer Umgebung, in der der Meister selbst von 1855 bis 1868 als Organist wirkte. Der Alte Dom (Ignatiuskirche) in Linz ist der inspirierende Aufführungsort für die Oper „Der Findling“, eine Produktion des Landestheaters, komponiert von Franz Hummel und Susan Oswell und mit einem Libretto von Landestheater-Intendant Hermann Schneider. Eine außergewöhnliche Spurensuche.

„Der Findling“ sei eines der ersten Brucknerprojekte für das besondere Jahr gewesen, erklärt Kulturdirektorin Margot Nazzal beim Pressegespräch im Alten Dom. „Die KulturEXPO geht mit vielen Projekten nach außen, mit diesem an einen Ort, an dem Bruckner gewirkt hat und mit dem wir auch den Kirchenraum neu erleben dürfen.“

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Kein einfaches Unterfangen, an einem Ort wie diesem Musiktheater zu spielen, sind sich die Verantwortlichen einig. Dabei sei die Ignatiuskirche schon seit jeher Theaterraum gewesen, die Jesuiten für das nach ihnen benannte Drama bekannt. Auf Höhe der Kirchenstühle wurde für die Aufführung im Zwischengang eine Art Steg eingezogen, der sich im Altarraum auf dessen ganze Breite erweitert und von einem Findling, einem riesigen Stein, dominiert wird. „Die Stimmen bewegen sich dadurch im Raum, die Unterschiede zwischen Gemeinde, dem Publikum, und Bühne sind aufgehoben, ein kollektives Ereignis“, erklärt Schneider.

Kräfte, die in Bruckner gewirkt haben

Im Vordergrund stehen nicht die Lebensstationen des Komponisten, man begibt sich einmal mehr im Brucknerjahr inhaltlich und musikalisch auf die Spur des Menschen Bruckner und seines Werkes. Die Figuren, gesungen und gespielt von Martin Achrainer, Gotho Griesmeier, Manuela Leohnhartsberger, Mätthäus Schmidlechner und Dominik Nekel, sind nur nach Buchstaben benannt, das Stück angelegt wie eine Messe, wo auch anonym gesungen werde, so Bruckner Orchester-Chefdirigent Markus Poschner.  „Dieses Werk war eine Art Missing Link, ein neuer, mystischer Zugriff auf Bruckner, den wir nicht im Portfolio hatten und mit dem wir versuchen, begreifbar zu machen, welche Kräfte in Bruckner gewirkt haben, eine Art Brückenschlag zur tiefsten Herzkammer von Bruckners“.

Für Initiator Hermann Schneider und Poschner stand schnell der Bayer Franz Hummel (1939-2022) als Komponist fest, nach dessen Tod übernahm Hummels Frau und Schülerin Susan Oswell und vollendete, Bruckner-Zitate inklusive. Ein Prozess, den sie nach dem Ableben ihres Mannes als „beglückend“ und eine „Art Lebensrettung“ beschreibt.

Es inszeniert Lukas Hemleb, der deutsche Theater- und Opernregisseur ist weltweit bekannt und gefragt für seine Produktionen, die geografisch wie ästhetisch Grenzen überschreiten. Er greife in den rund 110 Minuten ohne Pause auf die „allegorische Natur des Geschichtenerzählens“, die ein wenig verloren gegangen sei, erklärte Hemleb.

150 Akteure und akustische Herausforderungen

Auch akustisch stellt der Kirchenraum, der für etwa acht Sekunden Nachhall sorgt, eine Herausforderung dar. „Das ist so ziemlich das Komplizierteste, was ich in letzter Zeit gemacht habe“, bekennt Poschner. Das rund 40-köpfige Orchester unter seiner Leitung ist auf der Empore bei der freilich mitwirkenden Orgel angesiedelt, Monitore und eine Subdirigentin unterstützen vom Langhaus aus. Dazu kommen Chor, Extrachor und Kinderchor des Linzer Landestheaters von den Seitenemporen aus und auf der Bühne neben den Solisten zehn Tänzer des Ensembles des Landestheaters. Poschner: „Die Sänger müssen mit großer Sendungsenergie auftreten.“
Weitere Aufführungen am 9., 18. Und 19. Juni jeweils 20.30, www.landestheater-linz.at

Von Melanie Wagenhofer